Der Nationalsozialismus I

Europa nach dem Ersten Weltkrieg: Radikale Ideologien sind auf dem Vormarsch. Mit Gewalt kommen in Russland die Bolschewiki an die Macht, in Italien sind es die Faschisten. Diese erzwingen mit dem „Marsch auf Rom“ 1922 die Ernennung von Benito Mussolini zum Regierungschef. Militärisch organisiert und gewaltbereit machen seine Schwarzhemden vor allem gegen den Kommunismus und Sozialismus mobil. In Deutschland ist dafür die SA zuständig, die paramilitärische Kampfabteilung der nationalsozialistischen Bewegung. Diese vollzieht unter Adolf Hitler einen aggressiven politischen Aufstieg. Nach dem Sieg des faschistischen Generals Franco in Spanien 1938 stehen in Europa schließlich 16 diktatorisch regierte Länder 11 Demokratien gegenüber. Nationalismus und brutales Machtstreben ebnen – vor allem von deutscher Seite aus – den Weg in den Zweiten Weltkrieg.

Die Völkische Bewegung erhält nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg neuen Auftrieb. Ihre Rassenideen und extremen Ziele werden in reaktionären, republikfeindlichen Wehrbünden und Geheimgesellschaften weiterentwickelt. Auch Adolf Hitler greift auf die völkische Weltanschauung in seiner ideologischen Hetzschrift „Mein Kampf“ zurück. Darin definiert er die Menschheitsgeschichte als einen Kampf von Rassen, in dem nur die stärkste – die nordische Herrenrasse – sich durchsetzen und überleben kann. Er bedient sich dabei gängiger, seit dem 19. Jahrhundert verbreiteter antisemitischer Klischees. Seine Ziele lassen sich bereits erahnen und doch bleibt für viele unvorstellbar, was ab 1933 geschieht: Als Reichskanzler setzt er seine von Gewalt und Vernichtung bestimmte Ideologie in die Realität um.

„Du bist nichts. Dein Volk ist alles!“ – mit Parolen wie dieser beschwört die nationalsozialistische Propaganda die Eingliederung der Deutschen in die sogenannte Volksgemeinschaft. In dieser gelten alle sozialen und gesellschaftlichen Unterschiede als aufgehoben. Jeder einzelne soll sich solidarisch und opferbereit hinter dem Führer versammeln. Inszeniert wird die Geschlossenheit der Volksgemeinschaft bei Massenveranstaltungen, vor allem an Feier- und Gedenktagen wie dem 1. Mai oder dem Reichsparteitag. Ausgeschlossen sind alle, die durch den Rassenwahn der Nazis zur Zielscheibe von Anfeindungen und Verfolgung werden – vor allem Juden und Sinti und Roma. Auch unheilbar Kranke und Menschen mit Behinderungen werden ausgegrenzt und im Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten getötet.

Die Frau als Gefährtin des Mannes – dieses Ideal propagiert der nationalsozialistische Staat. Doch in Wirklichkeit sollen Frauen vor allem eins: Kinder gebären und aufziehen. Dies gilt als ihre Pflicht gegenüber der Volksgemeinschaft und dem Führer. Als Anreize gibt es staatliche Unterstützung oder Tapferkeitsorden wie das Mutterkreuz. In begrenztem Umfang können Frauen im NS-Staat auch beruflich Karriere machen: als Erzieherin und Krankenschwester oder in den vielen sozialen Organisationen der NSDAP. Führungspositionen sind für sie jedoch nicht vorgesehen und auch am Studium werden sie gehindert. In der Industrie sind Frauen als Arbeitskräfte bis zum Kriegsausbruch verpönt. Erst dann werden sie als „Arbeitskameradinnen“ der Frontsoldaten auch in den Männerdomänen gebraucht.

Seit 1933 wird die deutsche Jugend ganz im Geiste des Nationalsozialismus erzogen. In der Schule stehen nun Vererbungslehre und Rassenkunde auf dem Stundenplan. Die Schüler sollen lernen, wer zur Volksgemeinschaft gehört und wer nicht. Arische Schüler werden zum rassischen Vorbild, jüdische Schüler dagegen ausgegrenzt und als minderwertig vorgeführt. In ihrer Freizeit sind die Heranwachsenden in der Hitlerjugend (HJ) bzw. im Bund Deutscher Mädel (BDM) organisiert. Kameradschaft und Gemeinschaftssinn begeistern viele, die Kehrseite sind Drill und Gehorsam. Wer sich unangepasst gibt und rebelliert, der lebt gefährlich. Viele Mitglieder oppositioneller Jugendgruppen werden verfolgt – darunter auch die „Edelweißpiraten“.

Idealisiert, makellos und arisch: Auch in der Kunst propagieren die Nationalsozialisten ein neues Menschenbild. Alles, was diesem nicht entspricht, gilt als „entartet“ und „undeutsch“. Viele Maler, Autoren, Komponisten und Schauspieler erhalten jetzt Berufsverbot. Manche von ihnen verlassen Deutschland, andere gehen in die innere Emigration – so die Grafikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz. Ihre pazifistische Einstellung, ihre Werke gegen Krieg und Zerstörung stoßen bei den NS-Machthabern auf Kritik. Trotz Einschränkungen arbeitet sie weiter und sieht voller Schrecken die nächste Generation in den Krieg ziehen.

Zur gezielten Analyse und Auseinandersetzung mit nationalsozialistischem Propagandamaterial bieten ausgewählte Ausschnitte aus den Spielfilmen „Hitlerjunge Quex“ (1933) und „Jud Süß“ (1940) die Möglichkeit. Im Kontrast dazu werden in Form einer Lesung Textquellen aus jüdischer Perspektive rezitiert. Dazu gehören Auszüge aus dem Gründungsaufruf vom „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ (1920) und ein Augenzeugenbericht der jüdischen Künstlerin Ruth Fischer-Beglückter, die als Kind den wachsenden Antisemitismus in Köln miterlebt und nach den Novemberpogromen 1938 Deutschland verlässt.