Martin Luther und die Reformation

Um das Jahr 1500 rumort es schon lange innerhalb der europäischen Christenheit. Viele Gläubige sehnen sich nach Veränderung, nach „Reformation“ ihrer Kirche – der katholischen Kirche. Denn zu groß ist der Widerspruch zwischen dem, was die Geistlichen predigen, und dem tatsächlichen Leben von Päpsten, Bischöfen, Priestern, Mönchen und Nonnen. Das ist nämlich allzu oft geprägt von Verschwendungssucht und Machtgelüsten. Ein Mann klagt diese Missstände lauter an als alle anderen: Martin Luther. Sein Weckruf wird Europa verändern. Mit ihm beginnt die lang ersehnte Reformation – und die Spaltung der Kirche.

Wie alle Menschen seiner Zeit quält Martin Luther ganz besonders eine Sorge: Nach dem Tod als Sünder in der Hölle zu schmoren. Und da es so viele Möglichkeiten gibt, sich zu versündigen, erscheint Rettung schwer zu erlangen. Luther sucht nach einem sicheren Ausweg. Bald scheint er ihn gefunden zu haben: 1505 wird er Mönch in dem besonders strengen Bettelorden der Augustiner-Eremiten. Auf Dauer vermag das die Ängste des eigentlich lebenslustigen Mannes aber nicht zu bannen. Ihm bleibt die bohrende Frage erhalten: Was stimmt Gott gnädig?

Denkzettel, Feuereifer, Herzenslust – all das verdanken wir Martin Luther, genauer gesagt: Diese Begriffe verdanken wir Martin Luther. Er hat sie erfunden für seine Übersetzung der Bibel ins Deutsche. Heute sind diese Begriffe vertraut. Im 16. Jahrhundert sind sie neu. Um die Herzen der Menschen zu erreichen, nutzt Luther eine besonders anschauliche Ausdrucksweise – wo sie fehlt, schafft er sie. Eine neue Sprache allein reicht ihm aber nicht, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Er nutzt noch etwas Neues, bahnbrechend Neues: den Buchdruck.

Luthers Rebellion gegen die Kirche verändert die Welt – im Großen wie im Kleinen. Denn die Reformation greift auch grundlegend in den Alltag vieler Menschen ein. Vor allem das Privatleben der Kleriker, Männer wie Frauen, wird durcheinandergewirbelt und neu geordnet. Aus Ordensleuten sollen Eheleute und aus Doppelmoral eine strenge Moral werden. Auch die Rolle der „gemeinen“ Frau soll neu definiert werden. Ob und wie das zu geschehen hat, darüber streiten nicht nur die Männer. Auch unter den Frauen herrscht tiefe Uneinigkeit. Besonders deutlich wird das an zwei Nonnen, die um ihr Recht auf Selbstbestimmung kämpfen – und dabei genau entgegengesetzte Ziele verfolgen: Katharina von Bora und Caritas Pirckheimer.

Martin Luther und die Bauern – es ist die Geschichte eines großen, eines tragischen Missverständnisses. Als die Bauern sich 1524 gegen die drückende Herrschaft von Adel und Klerus erheben, glauben sie den Reformator auf ihrer Seite. Seine kämpferische Parole „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“ nehmen sie wörtlich und fühlen sich ermutigt, für ihr Recht zu kämpfen. Doch sie haben sich in dem Reformator gründlich getäuscht.

Worms 1521: Auf dem Reichstag im Schatten des Doms beginnt der erste Akt der Glaubensspaltung. Der Mönch und Theologe Martin Luther wird zur Rede gestellt. Als er seine Thesen nicht widerruft, verhängt Karl V. über ihn die Reichsacht. Niemand darf den „Ketzer“ nun noch schützen und seine Lehre verbreiten, so fordert es der junge Kaiser im Wormser Edikt. Aber es regt sich Widerstand. Denn immer mehr Landesherren sympathisieren mit den Ideen Luthers. Und dagegen kann der Kaiser wenig tun. Denn das Reich ist kein Zentralstaat. Die wahre Macht liegt bei den Fürsten.

Die „Lutherin“ – so wird Katharina von Bora häufig genannt. Die entflohene Nonne heiratet 1525 den Kirchenrebell Martin Luther und wird für ihn zu einer entscheidenden Stütze. Denn sie kümmert sich nicht nur um Kinder und Haushalt. Sie ermöglicht ihm als tüchtige Geschäftsfrau auch, frei von finanziellen Sorgen sein reformatorisches Anliegen voranzutreiben. Und als kluge und gebildete Frau nimmt sie sogar an den gelehrten Tischrunden im Hause Luther teil – für eine Frau in der damaligen Zeit ein ungewöhnliches Verhalten und Privileg.