Der Reformator geht bei seiner Übersetzungsarbeit gründlich vor. Er greift auf die Urtexte in griechischer und hebräischer Sprache zurück. Und Luther übersetzt anders als seine Vorgänger nicht mehr Wort für Wort, nicht nach den Buchstaben, sondern frei, nach dem Geist. Das zeugt von seinem unglaublichen Selbstbewusstsein, sieht er sich doch in der Lage, den wahren Geist der Bibel zu erkennen und ihn sprachlich verbindlich umzusetzen. Seine theologischen Überzeugungen fließen naturgemäß mit ein in die Übersetzung. Er erlaubt sich große kreative Freiheit. Und die ermöglicht es ihm, dem Text eine ganz neue sprachliche Schubkraft zu verleihen. Luthers Bibelübersetzung eignet sich nun auch gut zum Vorlesen. So können auch Menschen, die selbst nicht lesen können, erstmals direkt erfahren, was in der Bibel steht. Und damit ihn alle Menschen auch wirklich verstehen, geht Luther bei seiner Wortwahl und Ausdrucksweise pragmatisch vor, nach dem Motto: "dem Volk aufs Maul schauen“. Er orientiert sich also an der Alltagssprache. Das allein reicht ihm aber nicht. Wo er passende Wörter vermisst, schafft er neue, wie zum Beispiel „Nächstenliebe“ oder „Friedfertigkeit“. Eingängig sollen sie sein und haften bleiben. Das gilt auch für die Redewendungen, die er populär macht, so zum Beispiel: Ein Buch mit sieben Siegeln; seine Hände in Unschuld waschen; ein Dorn im Auge; Hochmut kommt vor dem Fall; Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein; ein Herz und eine Seele sein; Perlen vor die Säue werfen; im Dunkeln tappen.
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Überblick: Martin Luther und die Reformation
Martin Luther – Vom Mönch zum Reformator
Die Luther-Bibel und der Buchdruck
Die Reformation und die Rolle der Frau
Martin Luther und der Bauernkrieg
Die Reformation im Reich: Kaiser, Fürsten und Städte im Kampf um die Glaubensfreiheit
Die Luther-Bibel und der Buchdruck
Denkzettel, Feuereifer, Herzenslust – all das verdanken wir Martin Luther, genauer gesagt: diese Begriffe verdanken wir Martin Luther. Er hat sie erfunden für seine Übersetzung der Bibel ins Deutsche. Heute sind diese Begriffe vertraut. Im 16. Jahrhundert sind sie neu. Um die Herzen der Menschen zu erreichen, nutzt Luther eine besonders anschauliche Ausdrucksweise – wo sie fehlt, schafft er sie. Eine neue Sprache allein reicht ihm aber nicht, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Er nutzt noch etwas Neues, bahnbrechend Neues: den Buchdruck.
Mitte des 15. Jahrhunderts revolutioniert Johannes Gutenberg das Druckverfahren. Bücher werden dank seiner neuen Druckerpresse deutlich erschwinglicher. Jetzt muss nicht mehr jedes Exemplar einzeln per Hand kopiert werden. Als erstes druckt Gutenberg – natürlich – die Bibel. Und natürlich ist es eine Bibel auf Latein, also verfasst in der Sprache der Gebildeten. So war es bisher überall in Europa üblich. Die Zeiten aber ändern sich: Um das Jahr 1500, an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, wollen immer mehr Menschen selbst lesen, was in der Bibel steht – auch wenn sie kein Latein beherrschen. Es erscheinen erste gedruckte Übersetzungen der Bibel auf Deutsch. Alle basieren auf dem Text der Vulgata, der spätantiken lateinischen Fassung. Aber sie werden nicht gerade zu „Bestsellern“. Das ändert sich erst mit der Bibelübersetzung Luthers. Er versteht es, die neue Technologie des Buchdrucks mit einer neuen Ausdruckskraft zu verbinden und so eine bis dahin unbekannte Massenwirkung zu erzielen.
Die Reformation als Medienereignis
1522 geht das von Luther übersetzte Neue Testament in Druck. Es kostet anderthalb Gulden – soviel wie ein ganzes Kalb – trotzdem werden die ersten 3.000 Exemplare in wenigen Wochen verkauft. Zwölf Jahre später, 1534, erscheint die erste Gesamtausgabe des Heiligen Buches – Altes und Neues Testament – eine gewaltige Übersetzungsleistung, mit der Luther zum Wegbereiter der modernen deutschen Sprache wird. Da die Luther-Bibel eine ungeheuer weite Verbreitung findet, trägt sie stark zur Vereinheitlichung der deutschen Schriftsprache bei. Bis zu Luthers Tod werden allein von der Gesamtausgabe der Bibel 100.000 Exemplare verkauft. Aber auch der Buchdruck allgemein hat eine vereinheitlichende Wirkung. Denn überall in Deutschland werden nun dieselben Texte gelesen und diskutiert.
Die eigene Wortgewalt und die revolutionäre technische Innovation des Buchdrucks werden zu Luthers wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die päpstliche Kirche. Dieser gelten seine Thesen und Ansichten schlicht als Ketzerei. Im schlimmsten Fall droht ihm jetzt der Scheiterhaufen. Luther schreibt deshalb um sein Leben. Er sucht die Öffentlichkeit. Er provoziert. Er will so viel Aufmerksamkeit erregen wie möglich. Und das gelingt ihm. Mehr noch: die weit verbreitete Unzufriedenheit mit der Papstkirche verwandelt sich an immer mehr Orten in ein offenes Bekenntnis zu Luther und zu seinen Forderungen.
Das Druckereigewerbe profitiert enorm von dem Wirbel um Luther. Und dessen Schriften sind nur der Anfang. Denn nun treten auch viele andere Reformatoren auf den Plan, Kleriker wie Laien, große wie kleine Geister. Theologische Schriften, Flugblätter und Karikaturen werden gedruckt, gelesen und diskutiert, besonders in den Städten. Zum ersten Mal wird seit der Reformation nicht nur Wissen, sondern auch Meinung veröffentlicht. Es wird argumentiert, kommentiert, polemisiert, gehetzt. Und in den Kampf um die öffentliche Meinung steigt nun auch die Gegenseite ein, die katholische Kirche. Die schiere Menge schriftlicher Erzeugnisse steigt immens.
Propaganda: der Papst als Antichrist – Luther als Ketzer
Während Luther sich noch auf der Wartburg versteckt halten muss, weil Reichstag und Kaiser ihn für „vogelfrei“ erklärt haben, kommt das erste „Bilderbuch der Reformation“ heraus: Das „Passional Christi et Antichristi“. Das Leben Jesu und das Verhalten des Papstes in polemischer Gegenüberstellung – gezeichnet von Lukas Cranach, in dessen Druckerei die Schrift auch erscheint. Ganz wesentlich beteiligt an der Schrift ist Philipp Melanchthon, ein enger Weggefährte Luthers und selbst ein bedeutender Reformator.
Das Werk hat eine einfache Botschaft: Gut auf der einen Seite, böse auf der anderen Seite. Es gibt keine Zwischentöne. Christus wird gezeigt in Demut und Armut. Der Papst erscheint im Gegenbild in Reichtum und Sittenlosigkeit – als der Antichrist. Luther gefällt das Passional in Bild und Gegenbild „ganz außerordentlich“ – für ihn „ein gutes Buch für die Laien“. Denn jeder kann es verstehen, auch ohne lesen zu können.
Der „Antichrist“ ist ein biblischer Begriff. Er bezeichnet den Widersacher Christi, den Teufel, der in der Endzeit, kurz bevor Christus wieder auf die Erde kommt und der jüngste Tag anbricht, noch einmal eine Schreckensherrschaft errichtet. Für Luther ist der Papst der Antichrist. Das wird im "Passionale Christi et Antichristi" plakativ und eingängig inszeniert. Die Schrift hat einen ungeheuren Erfolg und prägt das zukünftige Bildprogramm reformatorischer Propaganda. In unzähligen Flugblättern und Schriften wird das Oberhaupt der katholischen Christenheit dämonisiert und als Monstrum dargestellt.
Die katholische Kirche reagiert mit ähnlichen Mitteln. Auch sie verteufelt den Gegner und zeigt Luther als siebenköpfiges Monstrum oder „Dudelsack“ des Teufels. Ein Propagandakrieg der Bilder kommt in Gang. Später werden die radikal entgegensetzten Positionen sogar zu blutigen Konflikten um den wahren christlichen Glauben führen.
Schulfilm: Martin Luther und die Reformation - Die Welt um 1500 II
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„Martin Luther und die Reformation“