Gotthold Ephraim Lessing

Gotthold Ephraim Lessing beeinflusst die Entwicklung von Literatur und Theater in Deutschland wie kaum ein anderer. Im Mittelpunkt seiner Stücke stehen nicht mehr höfische Themen, sondern bürgerliche Stoffe und private Konflikte. Es geht ihm um das „Menschsein“ und das Eintreten für Vernunft, Toleranz und Freiheit – aufklärerische Ideale, die er auch in Glaubensfragen vertritt, wie sein Ideendrama „Nathan der Weise“ zeigt. Zu seinen frühen Stücken inspirieren ihn zunächst jedoch vor allem die Wandertheater. Mit „Der junge Gelehrte“ feiert er 1748 seinen ersten Bühnenerfolg. Die zugespitzten Dialoge und Pointen des Stücks – uraufgeführt durch Caroline Neubers Theatergruppe – zeugen schon früh von Lessings dichterischem Talent.

Mit „Minna von Barnhelm“ schreibt Lessing ab 1763 das bekannteste Lustspiel der deutschen Aufklärung. Es spielt vor dem Hintergrund des Siebenjährigen Krieges und zeigt, wie die Beziehung zwischen dem sächsischen Edelfräulein Minna von Barnhelm und ihrem Verlobten, den preußischen Major von Tellheim, an dessen übersteigertem Ehrbegriff zu zerbrechen droht. Lessing, der selbst den Krieg als Sekretär des Generals Tauentzien erlebt hatte, schreibt in „Minna“ über die Not der Kriegsinvaliden, preußische Heiratspolitik und hohe Kriegssteuern. Zugleich setzt er auf vielschichtige und komödiantische Figuren, die die tragische Handlung zum Happy End führen – darunter Minna, die dem Ideal der Aufklärung entspricht und selbst zu denken und zu handeln weiß.

Am Anfang begehrt, am Ende getötet – das ist das Schicksal von Emilia Galotti in Lessings gleichnamigem Trauerspiel. Mit allen Mitteln versucht Prinz Hettore Gonzaga die bürgerliche Schönheit für sich zu gewinnen und schreckt auch vor dem Mord an ihrem Verlobten nicht zurück. Doch Emilia will lieber sterben als vom Prinzen verführt zu werden – ein verstörendes Ende, das Lessing 1772 entwirft. Er verlegt die Handlung seines Stückes nach Italien. Aber das Publikum weiß, dass er über den Absolutismus an deutschen Höfen schreibt und über die Machtverhältnisse zwischen Adel und Bürgertum. Mit Emilia bringt Lessing eine Figur auf die Bühne, die nicht bereit ist, sich dem Prinzen unterzuordnen und dennoch hin- und hergerissen ist zwischen Verstand und Gefühl. Das ist neu im Zeitalter der Aufklärung und macht Lessings Stück bis heute zu einem Publikumsrenner.

„Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, als Mensch? Ah! Wenn ich einen mehr in Euch gefunden hätte, dem es genügt, ein Mensch zu heißen!“ – In seinem Stück „Nathan der Weise“ lässt Lessing seine Hauptfigur erklären, dass es wichtiger ist ein guter Mensch zu sein, als einer bestimmten Religion anzugehören. Eine Botschaft für die Lessing nach Erscheinen seines Dramas 1779 stark kritisiert wird. Doch er will das Publikum zum Nachdenken bewegen und entwirft darum seinen Nathan als ein Sinnbild der Aufklärung – als Beispiel für Toleranz, Humanität und Weltoffenheit. Zur Schlüsselszene des Stücks wird dessen Ringparabel. Ihre Botschaft über ein friedliches Miteinander der Religionen macht Lessings Text heute aktueller denn je.

Im 18. Jahrhundert erlebt das Theater in Deutschland einen Wandel. Die Aufklärung sorgt für einen neuen „Geist“ auf den Bühnen. Sozialkritische Stücke werden populär, anspruchsvolles Sprechtheater zum Gebot der Stunde. So etwa Lessings „Minna von Barnhelm“ oder „Miss Sara Sampson“ – das erste bürgerliche Trauerspiel in deutscher Sprache. Zugleich brechen ab den 1770er Jahre die Dramen des „Sturm und Drang“ mit den bisher gültigen Regeln des Theaters. Die Sprache ist jetzt hoch emotional, die Charaktere ambivalent. Das Theater der „Weimarer Klassik“ setzt wenig später nicht mehr auf aktuelle politische Fragen, sondern allgemein menschliche Themen, um sein Publikum moralisch zu bilden und zu Humanität zu erziehen. Bis heute gehören die Werke der Zeit zum Standartrepertoire auf deutschen Bühnen.