Die Deutsche Frage II

1949 entstehen auf deutschem Boden zwei neue Staaten: die Bundesdeutsche Republik und die Deutsche Demokratische Republik. Ihre Gründung fällt in eine Zeit, in der sich Europa zum Brennpunkt des Kalten Krieges entwickelt – und Deutschland zu eine der Fronten zwischen den Machtblöcken. Zu ihrem Schutz setzt die BRD unter Kanzler Konrad Adenauer auf eine Einbindung in das westliche Militärbündnis NATO – und auf die Wiederbewaffnung. Die Gründung der Bundeswehr stößt allerdings auf großen gesellschaftlichen Protest. Doch auch der Osten rüstet auf: Die DDR wird Mitglied des Warschauer Paktes und richtet 1956 die Nationale Volksarmee ein. Immer mehr Waffen werden jetzt auch auf deutschem Territorium aufgestellt. Ein Gleichgewicht des Schreckens soll die Machtverhältnisse in Europa sichern.

Die Menschen in der DDR werden Schritt für Schritt auf sozialistischen Kurs gebracht. Walter Ulbricht – der mächtigste Mann im Staat – formt das Land nach sowjetischem Vorbild: Planwirtschaft, Parteisäuberung, Verschärfung des politischen Strafrechts. Doch die Versorgungslage ist schlecht, die Unzufriedenheit in der Bevölkerung groß. Am 17. Juni 1953 weitet sich ein Streik von Berliner Bauarbeitern gegen die hohen Arbeitsnormen zu einem landesweiten Aufstand aus – gefordert werden jetzt Demokratie und Freiheit. Doch die Sowjetarmee schlägt die Demonstrationen blutig nieder. Der Westen schaut zu. Auch als 1961 die DDR-Staatsführung eine Mauer hochzieht. Mehr als zwei Millionen Menschen haben da bereits die DDR verlassen. Nun kann jeder Fluchtversuch den Tod bedeuten.

Enge diplomatische Beziehungen zum Westen, Ablehnung und Härte gegenüber dem kommunistischen Osten – das sind die Grundpfeiler der Außenpolitik Konrad Adenauers, um die Bundesrepublik international wieder auf Spur zu bringen. Und er hat Erfolg: Die Pariser Verträge beenden 1954 die Besatzungszeit und die Bundesrepublik wird weitgehend souverän. Zudem profitiert sie von der engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit anderen westeuropäischen Staaten. Viele Unternehmen machen Gewinne und immer mehr Menschen können sich einen bescheidenen Wohlstand leisten. Das Wirtschaftswunder erfasst die ganze Republik. Ungelöst bleibt jedoch weiterhin die deutsche Frage. Durch den Mauerbau rückt die Einheit in weite Ferne. Daran ändert auch der Besuch von John F. Kennedy in West-Berlin 1963 nichts.

1950 wird in der DDR das Ministerium für Staatssicherheit gegründet. Stasi-Mitarbeiter beobachten ab jetzt genau, wer aus der Reihe tanzt – nicht nur in der DDR. Auch die Bürger in West-Berlin sind vor den Schergen Erich Mielkes nicht sicher. Das muss der Journalist Karl Wilhelm Fricke erfahren als er 1955 entführt und in das Untersuchungsgefängnis Hohenschönhausen gebracht wird. Der Vorwurf: Fricke habe illegale Kontakte in die DDR. Über ein Jahr sitzt er in Haft, die meiste Zeit davon in totaler Isolation – nur unterbrochen durch stundenlange Verhöre. Fricke wird schließlich zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Entlassung arbeitet er wieder als Journalist und schreibt über die Methoden der Staatsicherheit und das SED-Unrechtsregime – diesmal aus eigener Erfahrung.

Millionen Deutsche unterstützten Hitler, Hunderttausende waren in den Holocaust und Kriegsverbrechen verwickelt. Ein Heer von Tätern, das in der Nachkriegszeit untertaucht. Bestrafen oder integrieren, das fragen sich beide deutsche Staaten. In der DDR gilt der Antifaschismus als staatlich verordnetes Programm. Wer mitmacht, sich zum Erbe des kommunistischen Widerstandes bekennt, darf seine Nazi-Vergangenheit hinter sich lassen. Integrieren statt ausgrenzen, heißt das Konzept. Dies gilt auch für die BRD. Sogar Blutrichter von einst sprechen wieder Recht. Schwung in die Aufarbeitung von Verbrechen kommt erst ab 1958 wieder. In Ludwigsburg wird eine zentrale Ermittlungsstelle eingerichtet, die Beweise über Nazi-Verbrechen in ganz Europa sammelt – mit Erfolg. 1965 werden in einem großen Gerichtsverfahren SS-Aufseher des Konzentrationslagers Auschwitz verurteilt. Es ist der Anfang einer Reihe von Strafprozessen, die die Verstrickung auch der „normalen Deutschen“ in NS-Verbrechen verhandeln.

Nach der entbehrungsreichen Nachkriegszeit kommen in den 1950er und 1960er Jahren viele Menschen wieder zu bescheidenem Wohlstand – vor allen in der BRD. Hier sorgt das Wirtschaftswunder für volle Regale und allgemeine Zufriedenheit. Viele versuchen die Schrecken des Krieges zu vergessen – auch durch die heile Welt der Heimatfilme. Rebellieren tut nur die Jugend. Sie tanzt jetzt zu Rock 'n' Roll und Beatmusik. Frisuren, Kleidung, Attitude – alles ist anders. Viele junge Menschen lehnen sich gegen die konservative Politik und gesellschaftliche Zwänge auf. Und sie ecken an damit, in der DDR noch mehr als im Westen. Denn die SED will eine Jugend ganz im Dienst des Sozialismus – gehorsam und loyal. Wer sich nicht anpasst, bekommt den langen Arm der Staatsmacht zu spüren.

Verschiedene Beiträge laden zur Analyse und gezielten Auseinandersetzung mit historischem Filmmaterial im Unterricht ein – darunter zwei Wahlwerbespots der CDU und SPD zur Bundestagswahl 1957 sowie Original-Filmaufnahmen der Kundgebungen vom 1. Mai 1951 bzw. 1961 in Ost-Berlin. Im Interview erzählt der Journalist und Publizist Karl Wilhelm Fricke außerdem von seiner Ankunft und den Haftbedingungen im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen.