Der Glaube wird als rein geistige Angelegenheit betrachtet. Alles Äußerliche soll davon entfernt werden. Denn dieses gilt als bloßer Götzendienst. Luther ist da tolerant. Er meint, dass die einfachen Leute, die nicht lesen und schreiben können, Bilder für ihren Glauben brauchen. Ihr Gefühl müsse angesprochen werden. 1529 kommt es zu einem Religionsgespräch zwischen Luther und Zwingli. Es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber neben dem Bilderstreit noch einen anderen unauflösbaren Konflikt: Das Abendmahl. Für Zwingli ist es nur eine Erinnerungsfeier der Gemeinde an das letzte Abendmahl Jesu vor der Kreuzigung. Luther dagegen beharrt darauf, dass Christus bei der Abendmahlsfeier in Brot und Wein tatsächlich anwesend sei – nicht nur symbolisch. Dies ist ein so zentraler theologischer Punkt, dass sich darüber innerhalb der protestantischen Bewegung Lager bilden, die auch nicht wirklich mehr vereint werden können. Das gilt bis heute: die lutherische und die schweizerisch-reformierte Kirche gehen seit dem 16. Jahrhundert getrennte Wege.
Der Franzose Johannes Calvin begründet eine dritte Richtung der Reformation. Auch er ist radikaler als Luther. Seit 1537 errichtet er in Genf sein eigenes Kirchenregime: sittenstreng und gottgefällig. Calvin verkündet seine Lehre in der Kirche St. Pierre. Er ist davon überzeugt, dass Gott jeden Menschen noch vor dessen Geburt entweder erwählt oder verworfen hat.
Calvin will nicht nur die Kirche reformieren. Er will das Leben der Menschen verändern: ihre Sitten, ihren Alltag, ihre Arbeit. Als „Werkzeug Gottes“ will er Genf zur Heiligen Stadt machen. Ein religiöser „Tugendrat“ wacht jetzt streng über das Verhalten aller Einwohner. Das gilt auch für das gesamte Familienleben und die Sexualmoral. Wer sich Calvins Regeln nicht unterwirft, dem drohen drakonische Strafen. Eine Sanktion besteht darin, vom Abendmahl in der Kirche ausgeschlossen zu werden – was drastischere Folgen hat, als es heute erscheinen mag. Denn die Ausgeschlossenen leben damit gleichsam außerhalb der Gemeinschaft und werden isoliert. Einige Abweichler landen sogar auf dem Scheiterhaufen.
Trotz dieser rigiden Maßnahmen suchen religiös Verfolgte aus ganz Europa in Genf Zuflucht. Calvin gründet später eine eigene Akademie, um Geistliche in seinem Sinne auszubilden. Sie tragen als Prediger den Calvinismus nach Frankreich, England und die Niederlande.