Erster Weltkrieg II

Kriegsjahr 1917: Seit über zwei Jahren tobt der Erste Weltkrieg und kein Ende ist in Sicht. Die Soldaten werden in immer neue Offensiven geschickt – sinnlos verheiztes Menschenmaterial. Französische Truppen beginnen als erstes zu meutern und auch an der „Heimatfront“ kommt es in vielen kriegsführenden Ländern zu Streiks und Hungerkrawallen. Nach zwei Revolutionen scheidet Russland schließlich im Dezember 1917 aus dem Krieg aus. Militärisch unterstützen über zwei Millionen US-Soldaten die Entente-Mächte ab Frühjahr 1918. Sie drängen die deutschen Truppen zurück und besiegeln die militärische Niederlage des Reiches. Über 16 Millionen Tote sind bei Kriegsende im November 1918 zu beklagen – und auch politisch ist das alte Europa zerbrochen. Anstelle der alten Großreiche entstehen nun neue, politisch instabile Nationalstaaten.

Die Propaganda hat im Ersten Weltkrieg ihren ersten großen Auftritt. Eine völlig neue Waffe, die mit eindringlichen Bildern und Parolen für Kriegsfreiwillige wirbt und die Bevölkerung in der Heimat mobilisiert. Neben Plakaten, Flugblättern, patriotischen Büchern und Liedern werden jetzt auch Filme und Fotografien als Propagandamedien eingesetzt. Sie beschwören den Heldenmut der eigenen Truppe und verdichten alte Stereotypen zu brutalen Feindbildern. Deutsche Gräueltaten in Belgien und Nordfrankreich verfestigen das Motiv vom „hässlichen Deutschen“, vom „Hunnen“ und „Barbar“, der mordend über Europa herfällt. Die deutsche Propaganda setzt dagegen auf die Inszenierung als Kulturvolk, das sich überlegen und gerecht seinen Feinden entgegenstellt.

Der Krieg ist nicht nur für die Soldaten ein Überlebenskampf, sondern auch für die Menschen in der Heimat. Die staatliche Kriegsunterstützung für Familien reicht nur für das Nötigste und so müssen viele Frauen Geld dazuverdienen – als Straßenarbeiterinnen oder Schaffnerinnen, aber auch in Munitionsfabriken, wo sie bis 13 Stunden täglich schuften. Dazu kommt die Sorge um Nahrungsmittel. Aufgrund der schlechten Versorgungslage – u. a. durch die britische Seeblockade – werden alle wichtigen Lebensmittel bald nur noch rationiert und in kleinen Mengen herausgegeben. Wer kann, hamstert auf dem Land. Im „Kohlrübenwinter“ 1916/17 erreicht der Hunger seinen Höhepunkt. Bis Kriegsende sterben im Deutschen Reich rund 700.000 Menschen an Hunger oder den Folgen von Unterernährung.

Das Jahr 1917 ist nicht nur ein Wendepunkt im Verlauf des Ersten Weltkrieges, sondern verändert die Weltpolitik grundlegend. Nach dem Sturz des Zaren durch die Februarrevolution, übernehmen im Oktober die kommunistischen Bolschewiki unter Lenin die Macht in Russland. Das Land scheidet aus dem Krieg aus, während zeitgleich die USA mobil machen. Im April hatte Präsident Woodrow Wilson dem Deutschen Reich den Krieg erklärt, jetzt werden Millionen US-Soldaten auf ihren Fronteinsatz vorbereitet. Mit dem Sieg im Ersten Weltkrieg beginnt für die Vereinigten Staaten der Aufstieg zur Weltmacht. Als wichtigster Vertreter einer liberal-demokratischen Ordnung werden sie fortan Russland, das als Sowjetunion seinen eigenen Weg geht, gegenüberstehen.

Die drohende militärische Niederlage des Deutschen Reiches ist spätestens ab Sommer 1918 offensichtlich. Doch die Oberste Heeresleitung will keine Verantwortung dafür übernehmen. Selbst als die Regierung um Prinz Max von Baden die Alliierten im Oktober um den Waffenstillstand bittet, will die Seekriegsleitung die Hochseeflotte noch zu einer letzten Schlacht entsenden. Doch die Matrosen in Kiel meutern, sie wollen sich nicht verheizen lassen. Ihr Aufstand weitet sich innerhalb weniger Tage zur Revolution im ganzen Reich aus. Am 9. November wird schließlich die Republik ausgerufen und der Kaiser muss abdanken. Zwei Tage später unterzeichnet Matthias Erzberger im Wald von Compiègne den Waffenstillstand. Trotz allen Jubels: Die auferlegte Kriegsschuld wird den inneren Frieden der jungen Republik fortan schwer belasten.

„Lieber, lieber Peter, wo bist Du jetzt? [...] Wie oft denk ich an Dich“, schreibt die Künstlerin Käthe Kollwitz an ihren 18-jährigen Sohn Peter, der an der Westfront in Belgien kämpft. Als einer von vielen Freiwilligen zieht er 1914 in den Krieg – und fällt schon nach wenigen Tagen. Ihren Schmerz darüber verarbeitet Käthe Kollwitz in ihren Werken. Zu den bekanntesten zählt die Skulpturengruppe „Trauernde Eltern“ – ein Mahnmal gegen den Krieg und zugleich Denkmal für alle Trauernden. Berühmt ist zudem ihr Plakat „Nie wieder Krieg!“, das – 1924 entstanden – zu einer Ikone der Friedensbewegung wird.

„Der Tod setzte den Helm auf. Der Krieg griff zur Fackel. Die apokalyptischen Reiter holten ihre Pferde aus dem Stall. Und das Schicksal trat mit dem Stiefel in den Ameisenhaufen Europa.“ Erich Kästner wird 1917 zum Militärdienst einberufen und kehrt mit einem lebenslangen Herzleiden zurück. Er ist einer von vielen Autoren, die über die Zeit des Ersten Weltkrieges und das unfassbare Leid von Soldaten und Zivilisten schreiben. Auch Edlef Köppen, Wilfred Owen, Stefan Zweig, Adrienne Thomas und Irmgard Keun gehören dazu. In unserem Film rezitieren wir Auszüge aus ausgewählten Romanen und Gedichten.

Die Schülerin Elfriede Kuhr ist 12 Jahre alt als der Erste Weltkrieg ausbricht. Sie lebt mit ihrem Bruder bei der Großmutter im preußischen Schneidemühl und schreibt vier Jahre lang Tagebuch. Dieses zeigt, wie aus dem kriegsbegeisterten Kind eine überzeugte Pazifistin wird. Elfriede beschreibt zunächst kindliche Kriegsspiele und den „Opfertod“ ihrer Bleisoldaten für Patronen. Bald schon klagt sie – dünn wie eine „Zaunlatte“ – über Hunger, Schwäche und die schwierige Arbeit in einem Säuglingsheim. Sie sieht die zunehmenden Proteste gegen den Krieg und ist froh, als es 1918 endlich Frieden gibt.