Volker Habermaier, 27.01.2023
Wenn wir davon ausgehen, dass der Geschichtsunterricht einen wichtigen - nicht den einzigen - Beitrag zur Bildung von Geschichtsbewusstsein junger Menschen leistet, dann ist die Frage, wie jüdische Geschichte gelehrt und erarbeitet wird, von großer Bedeutung. Es ist allgemeine Überzeugung derer, die Geschichte erforschen und sie lehren, dass Juden nicht ausschließlich als Objekte und Opfer der Geschichte erscheinen dürfen. Gefordert wird immer wieder ein Perspektivwechsel und die "angemessene Berücksichtigung einer jüdischen Innensicht". Es gelte, auch den »Perioden relativ konfliktlosen Mit- und Nebeneinanders von Juden und Nichtjuden stärkeres Gewicht« zu verleihen. So schreiben Martin Liepach und Dirk Sadowski in ihrer immer noch gültigen Darstellung (Martin Liepach / Dirk Sadowski (Hg.), Jüdische Geschichte im Schulbuch. Eine Bestandsaufnahme anhand aktueller Lehrwerke, Göttingen 2014, S. 10).
Daher ist zu begrüßen, dass in der verdienstvollen Reihe "Geschichte interaktiv" nun eine Reihe von DVDs vorliegt, die sich der "Geschichte des Judentums" widmet. Besprochen wird die zweite DVD, die vom Mittelalter bis zur Reformation reicht. Zwei Module unter dem Titel "Geschichte im Zeitstrahl" bieten einen Durchgang durch die Epoche, einmal in islamischen, einmal in christlichen Herrschaftsräumen. Zwei Module beschäftigen sich exemplarisch mit Karl dem Großen bzw. den SchUM-Städten und bieten sich zur Anknüpfung an gängige Lehrplaninhalte bzw. zur Vorbereitung von Exkursionen an. Kolleg*innen aus den SchUM-Städten Speyer, Worms und Mainz bekommen damit Regionalgeschichtliches geboten. Zwei Module beschäftigen sich mit aktuellen Fragestellungen: zum einen dem Thema "Fake News" anhang eines Films zur Ritualmordlüge, zum anderen der Diskussion über antisemitische Darstellungen an mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kirchen (Wittenberger "Judensau").
Wie immer bei "Geschichte interaktiv" sind die Filme angenehm zurückhaltend gestaltet: keine reißerische Darstellung wie in vielen anderen Dokumentationen, eine ruhige Erzählerstimme, Kommentare renommierter Wissenschaftler*innen (hier: Prof. Dr. Wolfram Drews, Universität Münster). Die Filmlänge ist mit jeweils ca. einer Viertelstunde für den Unterricht geeignet. Bei älteren Themen gibt es ja immer das Problem, wie etwas bebildert werden soll. Hier hat man sich meist für historisierende Darstellungen späterer Epochen entschieden, da es (natürlich) nur wenige geeignete zeitgenössische Bildquellen gibt. Leider wird in den Filmen auf dieses Problem nicht hingewiesen. Da aber jede erfahrene Lehrkraft diese grundsätzliche Problematik historischer Dokumentationen ansprechen wird, ist das ein nicht allzu großes Monitum.
Die didaktischen Begleitmaterialien liegen leider noch nicht vollständig vor. Besonders zu den diachronen Filmmodulen ist das ein schmerzliches Desiderat. Zu den vorliegenden didaktischen Materialien, die allerdings eher die Nebenthemen erschließen helfen, kann gesagt werden, dass sie wie üblich gut aufbereitet sind und motivierend gestaltet sowie besonders geschichtsbewusstseinfördernde Aufgaben bieten.
(Volker Habermaier, OStD, Schulleiter am Georg-Büchner-Gymnasium Rheinfelden (Baden))