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Daniel Schuster, Februar 2016

Mein Interesse an den DVDs von Anne Roerkohl rührt daher, dass ich nach geeigneten Dokumentarfilmen für den Einsatz im Geschichtsunterricht Ausschau hielt und ich mit den herkömmlichen Produktionen, etwa des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, meist nur bedingt zufrieden war. Allzu oft erschienen mir die TV-Produktionen zu plakativ, zu oberflächlich, zu effekthascherisch. Sie werden nun einmal nicht gezielt für die unterrichtliche Verwendung hergestellt und folgen daher anderen Konventionen und richten sich an anderen Zielgruppen aus – auch wenn einmal wie im Falle der ZDF-Reihe „Die Deutschen“ didaktisches Begleitmaterial dazu ersonnen wird. Das ist völlig legitim und kann punktuell auch im Unterricht fruchtbar gemacht und reflektiert werden. Als optimale und regelmäßige Bereicherung des Unterrichts eignen sie sich allerdings nicht. Hier verspricht die Reihe „Geschichte interaktiv“ nun seit einiger Zeit Abhilfe. Die Vorzüge der von Anne Roerkohl produzierten DVDs möchte ich am Beispiel der neuesten Ausgabe, dem zweiten Teil zur Epoche des „Absolutismus“, anhand einiger Schlagworte kurz abhandeln.

-        Die Laufzeit der einzelnen Filmmodule:

Die Filme auf der DVD zum „aufgeklärten Absolutismus“ sind zwischen ca. 12 und ca. 30 Minuten lang und damit auch in einer Schulstunde von 45 Minuten gut einsetzbar. Selbst das vollständige Betrachten des Hauptfilms lässt nämlich noch ausreichend Zeit für die Nachbesprechung des Gesehenen oder die Weiterarbeit mit dem Gelernten. Nur dann ist ein Filmeinsatz auch sinnvoll. Ohne begleitende (Beobachtungs-)Aufträge und die Anschlusskommunikation würden die Bilder an den meisten Schülerinnen und Schülern vermutlich nur „vorbeirauschen“.

-        Die benutzerfreundliche Bedienbarkeit:

Leider keine Selbstverständlichkeit ist das problemlose Abspielen und Bedienen von Unterrichtssoftware. Auf den Smartboards meiner Schule laufen die Produktionen von Anne Roerkohl jedoch einwandfrei. Die Navigation durch die Menüs ist wegen der übersichtlichen Gestaltung intuitiv möglich. Schade, dass das Begleitmaterial nicht auch auf der DVD enthalten ist und erst heruntergeladen werden muss. Noch komfortabler wäre es, wenn man keinen weiteren Datenträger benötigte, um die Arbeitsblätter gemeinsam betrachten und besprechen zu können.

-        Die modularisierte Struktur der DVDs:

Die Aufteilung in Module ist sehr gelungen. Jeder Themenblock kann für sich stehen und erlaubt damit flexible und individuelle Schwerpunktsetzungen durch die Lehrkraft. Dennoch ist es empfehlenswert, zuerst den Hauptfilm zu schauen und danach eventuell mit weiteren Modulen fortzufahren. Für einen Geschichts-Leistungskurs etwa taugt das Modul „Aufgeklärter Absolutismus im Wörlitzer Park“ (Modul 4) hervorragend als Fallbeispiel und Vertiefung. Je nach zur Verfügung stehender Zeit kann auch den Protagonisten Friedrich II. von Preußen (Modul 1) und Maria Theresia von Österreich (Modul 2) sowie der höfischen Kultur im Ganzen (Modul 3) zusätzliche Aufmerksamkeit gewidmet werden.

-        Die wissenschaftlich seriöse Aufbereitung der Inhalte:

Die Filme sind nie reißerisch, sondern setzen sich differenziert und soweit ich das beurteilen kann auf dem aktuellen Stand der Forschung mit den Inhalten auseinander. Ein untrügliches Indiz dafür ist die Einbindung renommierter Experten wie Barbara Stollberg-Rilinger, die auch tatsächlich zu dem betreffenden Thema forschen und publizieren. Die Sprache der Beiträge ist stets klar und war auch für meinen Kurs der Jahrgangsstufe 8 (Gymnasium) jederzeit verständlich.

-        Die facettenreiche und anschauliche Auswahl der Inhalte:

Lobenswert ist auch, dass neuere kulturwissenschaftliche Ansätze und Akzente aufgegriffen werden, so zum Beispiel im Modul zur „höfischen Kultur“, das mit den Informationen zu „Etikette, Mode und Feste[n]“ aus Sicht der Schülerinnen und Schüler als das spannendste eingestuft wurde. Den Herausgebern sei Dank, dass hier nicht nur ein ereignisgeschichtlicher Durchgang geboten wird, sondern auch andere Zugänge möglich sind. Das DVD-Material erlaubt also sowohl eine rasche Zusammenfassung der großen Zusammenhänge (Hauptfilm), wenn es einmal schneller gehen muss, als auch das intensive Sich-Einlassen auf speziellere Aspekte in den Teilmodulen, die wiederum ein breites Spektrum abdecken.
Gelungen ist auch die Exemplarität der Inhalte. An einzelnen Personen oder Orten der Geschichte werden übergeordnete und übergreifende Entwicklungen und Zustände fassbar und greifbar. Darin liegt die Stärke auch des letzten DVD-Beitrages zum „Wörlitzer Park“, der eben keine regionalgeschichtliche Belanglosigkeit zum Besten gibt, sondern das „Große im Kleinen“ verdeutlicht.

-        Das didaktische Begleitmaterial:

Das Begleitmaterial ist im Vergleich zu älteren Ausgaben der „Geschichte interaktiv“-Reihe mittlerweile stark verbessert, weil vielseitiger und aufschlussreicher kommentiert. Das PDF-Portfolio bietet einen Mix aus Aufgaben und Materialien, die sich direkt auf die Filme beziehen, und darüber hinausgehenden Quellen und Darstellungen. Die Arbeitsaufträge sind abwechslungsreich und bedienen unterschiedliche Leistungsniveaus. Vom Multiple-Choice-Fragebogen über die Zuordnung von Bildern bis hin zur gründlichen Auseinandersetzung mit schriftlichen Quellen wird einiges offeriert. Lösungen dazu und Methodenkarten finden sich im Anhang.

Ergänzt werden könnten in Zukunft vielleicht noch längere Beiträge (Auszüge aus Aufsätzen oder Monografien) der zu Wort kommenden Experten sowie Hintergründe zu ihrer Forschungsarbeit: Welche Ansätze verfolgen sie? Wie arbeiten sie? usw. usf. Soweit ich das überblicke, werden momentan vorwiegend Transkriptionen der Film-Interviews aufgegriffen.
Lohnenswert wäre auch eine zumindest punktuelle Einbindung von Aufgaben, die den Aufbau und die Anlage der Filme selbst zum Thema machen. Das wäre eine schöne Ergänzung für leistungsstarke Lerngruppen und könnte im Sinne der Transparenz auch einen Einblick in die Arbeit der Produzenten von Unterrichtsmaterial gewähren: Warum werden eigentlich welche Themen gewählt? Wonach richten sich Entscheidungen zum Einsatz von Bild und Ton? Wie sollen die Inhalte aufbereitet sein? Was sind hier leitende Kriterien?

Insgesamt ist auch die neue DVD der Reihe „Geschichte interaktiv“ wieder überaus gelungen. Alte Stärken in der Struktur und Aufbereitung der Filmbeiträge zeigen sich abermals, auch das Begleitmaterial wird immer anspruchsvoller. Einziger Wehmutstropfen bleibt der relativ hohe Preis. Bei nunmehr 23 Ausgaben – teilweise mehrere zu einem Themenkomplex (2 zum Absolutismus, 3 zum Nationalsozialismus) – dürfte die gemeinschaftliche Anschaffung innerhalb der Fachschaft oft der bevorzugte Weg sein. Wie wäre es mit Kombi-Paketen (alle DVDs zu einem Thema) zu günstigeren Konditionen oder ermäßigten Tarifen für Referendare. Gerade junge Lehrkräfte sind den neuen Unterrichtsmedien gegenüber sehr aufgeschlossen, ihre finanziellen Möglichkeiten in der Ausbildungszeit aber auch sehr eingeschränkt. Es wäre schließlich wünschenswert, wenn „Geschichte interaktiv“ an möglichst vielen Schulen zum Einsatz kommt.

 

Verfasst von: Daniel Schuster, Lehrkraft für die Fächer Deutsch und Geschichte an Gymnasien