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H-Soz-Kult, April 2016

Rezensiert für H-Soz-Kult von Thomas Fischer, Berufsfachschule Screen-Design, Hamburg

Wie macht man spröden historischen Stoff für junge Menschen interessant? Anne Roehrkohl setzt seit Jahren in ihren Schul-DVDs auf eine Mischung aus Experteninterviews, historischem Bildmaterial und sparsam eingesetzten Videosequenzen, meist Panoramaschwenks über Gebäude. Der Verzicht auf fiktionale oder gar dramatische Elemente, wie in TV-Dokumentarspielen üblich, und auch auf eindrucksvolle Animationen verringert zwar die Anschaulichkeit, wirkt jedoch sachorientiert. Die 15 bis 24 Minuten langen Filme haben einen deutlichen wissenschaftlichen Anspruch, sie sollen das Publikum über den aktuellen Forschungsstand informieren und trotz ihrer Kürze der Komplexität der dargestellten Epoche gerecht werden. Im Grunde handelt es sich um in Bewegtbilder übersetzte Schulbücher, sie sind indes deutlich attraktiver und motivierender als die illustrierten Texte, die darin zu lesen sind.

Die vorliegende Ausgabe beschäftigt sich mit dem frühen und entwickelten Absolutismus im langen 17. Jahrhundert, wobei wiederholt der Vorstellung einer absoluten Herrschaft der Fürsten und Könige widersprochen wird. „Jedes Bild ist eine Lüge“, so der Kultur- und Kunsthistoriker Arne Karsten (Wuppertal). Die Paläste, Feste und Selbstinszenierungen als Sonnengott oder Zeus dienten primär der Propaganda und zur Überwältigung etwa der adligen Gäste. „Die Herrscher waren bei weitem nicht so mächtig, wie wir lange dachten.“
Der Zeitraum des Hauptfilms erstreckt sich ungefähr vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zum Tod Ludwigs XIV. Am Beispiel des Ländchens Sachsen-Gotha und seines Herrschers Ernst I. werden die wesentlichen Elemente des deutschen Absolutismus erläutert: eine aus Frömmigkeit, strenger Kontrolle der Untertanen und zentraler Verwaltung kombinierte Staatsräson, das stolze Selbstbild des Monarchen, der sich von Gott legitimiert und für das Seelenheil der Untertanen verantwortlich fühlte, die an Frankreich orientierte und durch Prinzenreisen laufend bestätigte Hofkultur, die Bibliotheken und Kunstkammern als Beweise der Gebildetheit und Weltläufigkeit. Am Hof konzentrierten sich die politische Macht, der relevante Adel und die Verwaltung: „Die Schlösser werden größer, auch weil die Schreibstuben größer werden“ (Karsten).

Ein zweiter Film schildert die Biografie Ludwigs XIV. von seiner Inthronisierung als Kind über die Flucht vor den Fronde-Aufständen und den Bau von Versailles bis zur brutal-expansiven Außen- und Kriegspolitik. Drei Filme beschäftigen sich mit anderen zentralen Aspekten der Epoche: die konfessionelle Polarisierung des Reiches bis hin zum Dreißigjährigen Krieg und seiner Überwindung im Westfälischen Frieden; Frankreichs merkantilistische Wirtschaftspolitik unter Colbert, einschließlich einem Seitenblick auf die nordamerikanischen Kolonien Québec und Louisiana. Die Bild- und Baukunst des Barock als strategisches und erfolgreiches Element der Rekatholisierung Europas wird am Beispiel der Person Gian Lorenzo Berninis erläutert und der Gegensatz zwischen seinem bewegten, dynamischen, italienischen Stil und dem statisch-geometrisch-pompösen Stil des französischen Absolutismus deutlich herausgestellt; immerhin prägte Berninis Büste von Ludwig XIV. fortan dessen Selbstdarstellung. Ein sechster Film beschäftigt sich mit der „kleinen Eiszeit“ im 17. Jahrhundert und den daraus resultierenden Hungersnöten, Judenpogromen und Hexenverfolgungen. Exemplarisch werden der Frankfurter Fettmilch-Aufstand 1616 und die „Cautio criminalis“ Friedrichs von Spee 1631 vorgestellt.

Wohlgemerkt: Die DVD bietet keine Epochengeschichte, sondern veranschaulicht ein frühneuzeitliches Staatskonzept sowie dessen Propaganda, Wirklichkeit und Schattenseiten. Die Darstellung beschränkt sich im Wesentlichen auf Frankreich, Italien und die deutschen Fürstentümer im 17. Jahrhundert. Andere Ausprägungen des Absolutismus oder auch die herrschaftskritische Seite des Barock spielen hier keine Rolle.

Ergänzt wird die Film-DVD durch ein umfangreiches PDF-Dokument mit Arbeitsblättern, teils direkt zu den Filmen, teils mit ergänzenden Text- und Bildquellen, teils mit kooperativ orientierten Unterrichtsvorschlägen, sowie einer Zeitleiste, einer Literatur- und einer Internetlink-Liste und Kurzbiografien der Interviewpartner. Man erhält es per Web-Download. Unterrichtshilfen für den bilingualen Geschichtsunterricht gibt es nicht.

Insgesamt erhält man eine solide und kurzweilige Darstellung eines wichtigen Staatskonstrukts der frühen Neuzeit. Exemplarisch und differenziert werden die wesentlichen Aspekte des Epochenbegriffs „Absolutismus“ dargestellt. Insofern handelt es sich um gut geeignetes Material für den Geschichtsunterricht in der Oberstufe.

Zitation Thomas Fischer: Rezension zu: Roerkohl, Anne (Hrsg.): Absolutismus I / Absolutism I. Konfessionelles Zeitalter und Staatsbildung / Confessional Age and State-Building. Münster 2015 , in: H-Soz-Kult, 18.04.2016, https://www.hsozkult.de/searching/id/redig-23668?title=absolutismus-i-konfessionelles-zeitalter-und-staatsbildung&recno=4&q=Roerkohl&sort=&fq=&total=18