Geschichte Lernen, Themenheft "Historische Orte", Heft 106, 07/2005
DVD „Industrielle Revolution“
a) Die DVD aus der Serie „geschichte interaktiv“ bietet zum Thema „Industrialisierung in Großbritannien von 1750-1850“ einen Hauptfilm (23 Min.) und sieben einzeln aufrufbare Kurzfilme (6-9 Min.). Während der Hauptfilm einen Abriss über die Anfänge der Industrialisierung gibt und im Überblick verschiedenste Schwerpunkte und Probleme benennt, führen die in sich selbst verständlichen Kurzfilme einzelne technische Aspekte (wie z.B. die Nutzung der Dampfkraft und die Entstehung der Eisenbahn bzw. des Webstuhls), aber auch soziale Gesichtspunkte (wie die Kinderarbeit in einer Textilfabrik oder die Vision des Fabrikbesitzers Robert Owen mit seiner Verbindung von Sozialfürsorge, Ausbildung uvm.) näher aus. Alle (Kurz-)Filme wurden an Originalschauplätzen und Freilichtmuseen in England und Schottland gedreht und bieten so z.B. im Durchgang durch die alten, teilweise restaurierten Gebäude der „ersten Fabrik der Welt“ in Cromford Mill oder mit der Vorführung früher Eisenbahnen, Dampfmaschinen bzw. originaler Webstühle einen authentischen Einblick in die jeweiligen „historischen Orte“. Hinzu treten zahlreiche Skizzen, Interviews, Animationen und Drucke: entsprechende Erläuterungen aus dem „Off“ erfolgen von professionellen Sprechern wahlweise in deutsch oder englisch.
b) Die Verknüpfung technologischer, soziologischer, wirtschaftlicher und ökologischer Sichtweisen der verschiedenen Module gewährleisten eine differenzierten Blick und beugt einer zu einseitigen Sichtweise vor; die „industrielle Revolution“ war weder gänzlich Segen („Fortschritt“) noch Fluch („Umweltzerstörung“) der Menschheit. Der kritische Impetus der Filme kratzt dabei selbst an so selbstverständlichen Urteilen wie der generellen Ablehnung der Kinderarbeit (im Modul „Cromford Mill“) und bietet sich deshalb als Diskussionsgrundlage bzw. Impuls im Unterricht ausgesprochen gut an. Darüber hinaus können verschiedene Gesichtspunkte der Industrialisierung anhand der Filme anschaulich vorgeführt werden (z.B. die Entwicklung von der Hand- zur Maschinenarbeit oder soziale Probleme des Wandels); die Kürze der jeweiligen Module bzw. auch des Hauptfilms gewährleistet, dass mit dem Einsatz des neuen Mediums nicht gleich die gesamte Unterrichtsstunde „mit Fernsehen verbummelt“ ist.
Die Darstellung ist insgesamt verlässlich recherchiert und kompetent wie auch kritisch aufgearbeitet, kleinere Anachronismen (etwa die Bilder von Dampfschiffen bei der Erläuterung des frühen Dreieckshandels) fallen kaum ins Gewicht. Dennoch bleiben für die Nutzung im Unterricht verschiedene Unstimmigkeiten: So wird z.B. unter zu großer Gewichtung lokaler und technischer Einzelheiten sowie (zu) vieler historischer Personen der „rote Faden“ der Filme mitunter vernachlässigt; im Gegenzug werden grundlegende Vorgänge (wie das Prinzip der Dampfmaschine) nicht ausreichend erläutert. Zusätzlich wäre (trotz der Selbstbeschränkung der Darstellung auf die Jahre 1750 bis 1850 in Großbritannien) ein ausführlicher Blick auf die weltweite Durchsetzung (besonders im Blick auf die deutschen Gebiete) sowie die heutige Bedeutung der Industrialisierung wünschenswert. Der dauerhaft globalen Bedeutung des vielschichtigen Wandels wird die vergleichsweise hermetische Darstellung so nur in Grundzügen gerecht.
Durch die Beschränkung auf Filme unterscheidet sich die DVD „Industrielle Revolution“ nur in der einfacheren Bedienung vom herkömmlichen VHS-Video und entspricht dem Titel der Serie „geschichte interaktiv“ keineswegs. Im Unterricht werden andere Methoden sowie die Beschäftigung mit anderen Quellen die Darstellung notwendig ergänzen müssen.