Marco Schröder, 06.11.2010
Objektiv betrachtet erscheint es nur schwer möglich, eine äußerst vielgestaltige und facettenreiche, mitunter auch widersprüchliche und zudem von fulminanten zeitgeschichtlichen Geschehnissen sowie zahlreichreichen ambivalenten Persönlichkeitsstrukturen flankierte Epoche der deutschen Kultur- und Literaturgeschichte in etwa drei Stunden filmdidaktisch aufleben zu lassen und dabei dem Credo der wissenschaftlichen Exaktheit bei gleichzeitiger Lehrplan-, Schüler- und Lehrerorientierung gerecht zu werden. Der Anne Roerkohl dokumentARfilm GmbH ist dies jedoch mit der im Oktober 2010 erschienenen zweiten Folge der Reihe „Deutsch interaktiv“ – „Epochenumbruch 1800 II – Romantik“ in hervorragender Weise geglückt. Das lehrplankongruent geplante und hinsichtlich der Material- und Schwerpunktauswahl hervorragend recherchierte Modulpaket stellt – wie schon seine Vorgänger-DVDs – eine Gewinn bringende Bereicherung des Literaturunterrichts, sowohl in der Mittel- als auch in der Oberstufe, dar.
Getreu dem bewährten medienpädagogischen Konzept eröffnet ein knapp 30-minütiger Hauptfilm das Themenfeld und führt ein in eine der historisch agilsten und ambivalentesten, in jedem Fall aber kulturgeschichtlich produktivsten und von bemerkenswerter Nachhaltigkeit geprägten Phasen der deutschen Geschichte. Von der Perzeption der Französischen Revolution über die kurze Phase der Mainzer Republik und die napoleonische Ära bis hin zur Berliner Salonkultur um 1800 und der beginnenden restaurativen Ära zeichnet der Film ein Zeitkolorit, das an Eindrücklichkeit und Lebendigkeit kaum zu übertreffen sein dürfte. So kommen neben den „großen“ Namen der Zeit auch heute weitgehend an der Peripherie des kulturellen Bewusstseins angesiedelte Vertreter der Epoche wie August Lafontaine, Christian August Vulpius oder August Gottlieb Meißner zur Sprache. Und weiterhin wird das janusköpfige, von den Gegensätzen zwischen den Religionen sowie zwischen Arm und Reich und Krieg und Frieden geprägte Gesicht des Zeitraums dargestellt, ohne dass jedoch der „rote Faden“ – das Spannungsverhältnis zwischen Persönlichkeit und Gegenwart – aus den Augen verloren wird.
Hinsichtlich der thematischen Zusammenstellung der sich anschließenden, jeweils circa 15 bis 18 Minuten dauernden Filmmodule ist den Produzenten eine das romantische Literaturgeschehen auf eindrucksvolle Weise vergegenwärtigende Komposition gelungen, die auch Bezüge zu Malerei und Musik impliziert (v.a. Modul 1). Stellvertretend für die zahlreichen, heute mehr oder minder populären Schriftsteller, begegnen dem Rezipienten in Modul 2 der leider viel zu früh aus dem Leben geschiedene „Projektemacher“ Heinrich von Kleist mit seinen Novellen „Die Marquise von O…“ und „Michael Kohlhaas“ sowie E.T.A. Hoffmann – der „Gespensterhoffmann“ – mit seinen Werken „Der goldene Topf“ und „Der Sandmann“ (Modul 3). In Modul 4 wird schließlich ein ebenso bedeutsamer wie symptomatischer Aspekt dieser Zeit – der Kreis der schreibenden Frauen der Romantik – dargestellt. Bezug genommen wird hierbei auf die im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen nicht minder charismatischen Persönlichkeiten Caroline Schlegel-Schelling, Karoline von Günderrode und Bettina von Arnim.
Eine die DVD 1 auf wertvolle Weise ergänzende Zweit-DVD mit schauspielerisch professionellen Rezitationsmitschnitten mit einer Gesamtlänge von etwa 90 Minuten sowie ein separater DVD-ROM-Teil mit didaktisch aufbereiteten Zusatzmaterialien runden dieses Medienpaket zur Romantik in vollkommender Art und Weise ab und tragen zum sprichwörtlichen „Erleben“ dieser Epoche in nicht unerheblichem Maße bei.
Hervorzuheben sind auch bei dieser Folge die erstklassige Materialauswahl vor dem Hintergrund didaktischer Reduktion, die perfekt auf die Thematik abgestimmten Experteninterviews und Rezitationsbeiträge sowie ein äußerst gelungenes, das Lebensgefühl der Romantik in jedweder Hinsicht hervorragend widerspiegelndes multimediales Layout.
Marco Schröder (Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte, Dresden)