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H-Soz-Kult, 29.06.2012

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:

Thomas Fischer, Berufsfachschule Screen-Design, Hamburg

Der Krieg gilt heutzutage eher als der Vernichter aller Dinge, als etwas zutiefst Negatives. Da haben es die Historiker schwer, in der Diskussion für Sachlichkeit zu sorgen, den Blick auf strukturelle Ursachen, wirksam werdende Interessen und Mechanismen der Kriegführung zu lenken. In der vorliegenden Materialsammlung versuchen die beratenden Historiker, in erster Linie Edgar Wolfrum (Heidelberg) und Herfried Münkler (Berlin), ausgewählte Themen der Kriegsgeschichte seit dem 17. Jahrhundert einem jungen Publikum nahezubringen. In den sieben Filmen mit 15 bis 23 Minuten Dauer stehen eher allgemeine Fragen im Vordergrund, der jeweilige Kriegsverlauf wird nur jeweils grob nachgezeichnet. Im Hauptfilm werden diese Leitfragen vorgestellt: Legitimierung und Propaganda, Gewalt, die Besonderheiten moderner Kriege.

Bis 1789, so Münkler, sei Krieg die „ultima ratio regis“ gewesen, danach sei er zur Sache des Volkes geworden – in jeder Hinsicht, von der Ideologisierung bis zur totalen Mobilisierung der Nationen. Mit der Ächtung des Angriffskrieges im frühen 20. Jahrhundert habe dann die Diskussion um den „gerechten Krieg“ einen gänzlich neuen Charakter erhalten. Seit jeher allerdings, auch in der frühen Neuzeit, habe es einen „Krieg um die Köpfe“ gegeben: Feind- und Heldenbilder sollten die eigene Kriegführung rechtfertigen, die Soldaten zum Kämpfen motivieren, Ängste schüren und das „Bündnis von Front und Heimat“ stärken.

Die Gewalt im Krieg wird als „Kosten-Nutzen-Rechnung“ interpretiert, so Sönke Neitzel (Glasgow): Mehr Gewalt erzeuge Schrecken, weniger Gewalt ein positives Image. Grundsätzlich sei die Gewalt im Krieg normal und normalerweise „regellos“. In den einzelnen Filmen auf der DVD wird dieser Aspekt als das „Gesicht des Krieges“ bezeichnet. Dabei geht es um das Gewaltverhältnis zwischen Soldaten und Zivilisten, die Eigendynamik der Kriegführung („der Krieg ernährt den Krieg“), Kriegsverbrechen – wobei der Film darauf hinweist, dass das, was als „Verbrechen“ empfunden wurde, zeitabhängig war – und bisweilen auch um die Waffentechnik.

Eine Hauptthese der Autoren sind die neuen Dimensionen des Krieges seit dem Zweiten Weltkrieg: Der „totale Krieg“ habe die Unterscheidung zwischen Soldaten und Zivilisten aufgehoben, selbst Fabrikarbeiter, Wohngebiete und Passagierdampfer seien daher zu Angriffszielen geworden. Nicht mehr nur die Armeen, sondern der Gegner insgesamt sollte vernichtet werden. Die Propaganda tat ein Übriges dazu. Die „heutigen Kriege“ gingen noch einen Schritt weiter, indem Hungersnöte gleichermaßen zur Waffe und zur Finanzierungsquelle der Warlords wurden, man Kinder als leicht steuerbare Soldaten rekrutierte und ob der ganzen Verworrenheit Friedensschlüsse immer unwahrscheinlicher wurden.

Während sich die Darstellungen des Dreißigjährigen Krieges, der Napoleonischen Kriege, des Ersten und Zweiten Weltkriegs und des Kalten Krieges im Rahmen des etablierten Wissensstandes bewegen und solide Informationen bieten, haben die Autoren sichtliche Schwierigkeiten mit dem gegenwärtigen Kriegsgeschehen. Ein „Gewusel aus Vielerlei“ nennt Münkler die „heutigen Kriege“, die seit dem Ende der bipolaren Welt um 1990 in den verschiedensten Teilen der Welt geführt würden. Sie seien gekennzeichnet durch ein asymmetrisches und unberechenbares Kriegsgeschehen, durch „Schattenökonomien“ und „Kriegsunternehmer“, räumliche, zeitliche und ideologische Entgrenzung, ein „Diffuswerden der Gewalt“. Humanitäre Hilfe werde zu einer Art „billiger Logistik“, Kriminelle zu Verhandlungspartnern, selbst die Protagonisten der Menschenrechte missachteten ebendiese bisweilen. Die Ratlosigkeit äußert sich auch darin, dass in dem entsprechenden Film, anders als in allen anderen, Zeitzeugenaussagen und Milieuschilderungen keine Rolle spielen. Stattdessen behaupten die Autoren „eine Fülle von Parallelen“ zwischen heute und dem Dreißigjährigen Krieg. Dies ist eine interessante These, da sie führende Akteure als bloße Geschäftsleute, die langjährige Traumatisierung als Friedenshemmnis und die Uneindeutigkeiten als Absicht erkennen lässt. Allerdings werden durch sie mehrere spezifisch moderne Aspekte der „heutigen Kriege“ nicht erfasst und außerdem die Frage vermieden, ob nicht eventuell die geltenden Paradigmen der Geschichtswissenschaft überhaupt geeignet sind, heutige Konflikte zu erfassen. Die Behauptung, dass die Kriege bis zum frühen 20. Jahrhundert „meist symmetrische Staatenkriege“ waren, ist doch recht fragwürdig, und Wolfrums Formulierung, Kriegführung sei „abhängig von Kulturkreisen“, sehr vage. Harald Welzer hat in seinem Buch „Klimakriege“ die Schwierigkeiten der Geschichtswissenschaft mit modernen Gewaltprozessen ausführlich diskutiert. (1)

Die DVD ist Teil der Reihe „Geschichte interaktiv“ (2) und nach dem gleichen Konzept entstanden: Experten, seien es der Sprecher aus dem Off oder namentlich vorgestellte Fachhistoriker, schildern den Verlauf und die Besonderheiten der jeweiligen Kriege. Gezeigt werden zeitgenössisches Bildmaterial, animierte Karten und Stimmungsbilder. Ergänzt werden die Filme durch ausführliches Begleitmaterial: Arbeitsaufträge, Textauszüge, Biografien, Zeitleisten, Literaturangaben, Methodenkarten zum Umgang mit Karikaturen, Plakaten, Reden und Tagebüchern. Viele dieser Materialien vertiefen die Filmthemen und regen zur Diskussion an: Wie funktionierte die Propaganda im Ersten Weltkrieg? Wie konnten „ganz normale Männer“ im Zweiten Weltkrieg zu Massenmördern werden? Wie fühlen sich Kindersoldaten? Alle Arbeitsblätter befinden sich im PDF-Format sowohl im ROM-Teil der DVD als auch auf der ebenfalls beiliegenden CD-ROM. Filme und Materialien liegen in deutscher und in englischer Sprache vor, für den bilingualen Unterricht gibt es außerdem Vokabellisten sowie weitere Materialien, die den Besonderheiten dieser Unterrichtsform Rechnung tragen.

Insgesamt ist auch diese DVD-Produktion wieder sehr zu empfehlen. Die Film-Darstellungen sind informativ und inhaltlich auf der Höhe der Zeit. In jeweils kaum mehr als einer Viertelstunde gelingt es ihnen, ein systematisches, differenziertes und anregendes Bild einer Kriegsepoche zu zeichnen. Das beiliegende Arbeitsmaterial vertieft die Filmerzählung und ist gut für den Unterricht geeignet.

Anmerkungen:

(1) Harald Welzer, Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird, Frankfurt am Main 2008.

(2) Vgl. die Rezension des Vorgängerbandes „Längsschnitt Revolutionen“ von Thomas Fischer, in: H-Soz-u-Kult, 01.02.2012: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-1-068 (12.06.2012).

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