PSM-Data Geschichte, 03.11.2009
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Die "Weltpolizei" des 20. Jahrhunderts
Die USA gelten heute als die Supermacht schlechthin. Zwar hat sie durch den Irakkrieg, durch Somalia und zu aller erst auch durch Vietnam Kratzer erlitten. Doch im 20. Jahrhundert gab es keine vergleichbare Nation. Die „Staaten“ haben sich aus der ländlichen Prägung gelöst und wurden zu Beginn des Jahrhunderts die größte Industrienation, die in den beiden Weltkriegen die Waffenkammer schlechthin wurde. Sie gaben den Ausschlag für den Sieg der Alliierten in den beiden Kriegen. Sie entwickelten sich zur „Weltpolizei“, die sich insbesondere im Kalten Krieg für die Interessen der westlichen Welt einsetzte. Notfalls auch mit Waffengewalt, wie die USA in Stellvertreterkriegen wie in Korea oder Vietnam zeigten. Auch wenn die USA noch die einzige große Weltmacht sind, bleibt offen, wie lange sie ihre Spitzenposition noch halten kann. Diese Frage kann keine DVD der Welt beantworten. Aber eine DVD kann erklären, wie sich ein Staat so schnell so stark entwickeln konnte. Und eine solche DVD hat die Anne-Roerkohl-dokumentARfilm GmbH herausgebracht: „Die Geschichte der USA II“ – „We the people“ – Die Weltmacht USA im 20. Jahrhundert“. Es ist die Fortsetzung einer zweiteiligen Dokumentation zur US-Geschichte.
Die DVD mit DVD-ROM-Teil ist wie ihr Vorgänger („Geschichte interaktiv“, Band 11) bilingual auf deutsch und englisch aufgebaut. Dies ermöglicht den Einsatz im Geschichts- und im Englischunterricht. Die DVD besteht aus einem Hauptfilm (dieses Mal 27 Minuten lang) und insgesamt sechs in sich abgeschlossenen, einzeln vorführbaren Modulen, von jeweils 4-16 Minuten, die den unterrichtsrelevanten Inhalt ergänzen und vertiefen. Erweitert wird die DVD, wie es sich in der Reihe „Geschichte interaktiv“ bestens bewährt hat, durch einen ROM-Teil mit didaktisch-methodischem Begleitmaterial.
Der Hauptfilm erzählt die Geschichte der USA des 20. Jahrhunderts in einem Gesamtüberblick. Es zeigt den einzigartigen Wandel der „imperialen Weltmacht“ USA. Es begann mit dem Kriegseintritt der USA in den zuvor europäischen 1. Weltkrieg, den die Alliierten durch ihre Unterstützung gewinnen konnten. In der Zeit zwischen den Weltkriegen äußerte sich dieser Sieg und der wirtschaftliche Aufstieg der Nation in wachsender Prosperität, die wiederum in der Katastrophe des „Schwarzen Freitags“ und der Weltwirtschaftskrise mündete. Erst der frische Wind des US-Präsidenten Roosevelt und seines „New Deal“ konnten die Wirtschaftsmaschinerie wieder anfeuern. Der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg nach „Pearl Harbor“, der Sieg über das NS-Reich und die Bezwingung der Japaner mit ihren Atomwaffen festigte die Stellung der USA als Weltmacht, neben der die Rollen der traditionellen europäischen Mächte verblassten. Hiroshima besiegelte den Beginn des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten, der sich durch zahlreiche „Beinahe-Kriegsausbrüche“ und Stellvertreterkriege auszeichnete. Erst die Bankrotterklärung und eine offene Politik der Sowjetunion unter Gorbatschow konnten Rivalitäten (vorerst) beiseite räumen. Danach waren und sind die USA bis heute die einzige Weltmacht. Doch für wie lange noch?
Die ersten drei Module vertiefen die drei wichtigsten Perioden der US-Geschichte des 20. Jahrhunderts: Den Ersten und den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg. An dieser Einteilung allein wird schon deutlich, dass die US-amerikanische Zeitgeschichte keine sehr friedliche gewesen ist: Provoziert durch den uneingeschränkten U-Boot-Krieg traten die USA als Land mit der größten Flotte und der größten Waffen-Produktion 1917 in den Weltkrieg ein. Mit dem Einsatz von zwei Millionen Soldaten konnten sie den festgefahrenen Grabenkrieg für die Alliierten entscheiden. Nach dem Krieg gelang es den USA unter Wilson mit dem Vorschlag zur Gründung eines Völkerbundes, Aufsehen zu erregen. Erstmals spielten die Staaten auf dem großen politischen Parkett der Welt mit. In der Zwischenkriegszeit entwickelten sich die USA kulturell und wirtschaftlich ausgenommen stark, dass sie auch hier eine Führung in der Welt einnahmen. Sie wurden der Motor der Weltwirtschaft. Doch die große Wohlstandsblase mit all ihrer Habgier platzte infolge des Schwarzen Freitags an der Wall Street und der darauffolgenden Weltwirtschaftskrise.
Im Zweiten Modul wird die Zeit von Roosevelts „New Deal“ bis zur Neugestaltung Europas durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg näher erläutert. Weltwirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit fesselten die USA bis Roosevelt Präsident wurde. Er setzte gewaltige Wirtschafts- und Sozialreformen in Gang, die das Land aus der Talsohle verhalfen. Das Modul erklärt, wieso die USA trotz der Schrecken des 1. Weltkrieges gezwungen waren, auch in den 2. Weltkrieg einzusteigen.
Es gelang den USA nach dem Krieg als eine von zwei Supermächten aufzutreten, die die zukünftige Weltordnung bestimmen sollten. Die beiden Supermächte mit ihren verschiedenen Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen gestalteten ihre „Hemisphären“ nach Ihren Vorstellungen. Damit begann der Kalte Krieg, der im dritten Modul thematisiert wird. Die Auswirkungen der us-amerikanischen und der sowjetischen Politik auf die Weltpolitik und speziell auf Europa werden darin sehr gut herausgearbeitet: Die Blockbildung, die beiden Bündnissysteme, der Eiserne Vorhang. Als Höhepunkt des Konfliktes wird die Kuba-Krise näher unter die Lupe genommen. Die Rolle der Stellvertreterkriege als Mittel der „indirekten Bekämpfung“ zwischen den Mächten, wie Korea und Vietnam wird gut verständlich erklärt.
Das vierte Modul befasst sich mit der Schattenseite der Supermacht. Bereits zu Gründungzeiten hatte man Sklaven „importiert“ und diese zu niederen oder schweren Arbeiten herangezogen. Auch wenn im 20. Jahrhundert Sklaverei kein Thema mehr war, so wurden die Afroamerikaner auch im 20. Jahrhundert nicht vor Diskriminierung und Ausgrenzung verschont. Die Hintergründe des Kampfes gegen die Rassentrennung, insbesondere im Zusammenhang mit der Symbolfigur der Bürgerrechtler, Martin Luther King, wird schön veranschaulicht.
Wer auch immer die Quelle für die Medienanalyse des fünften Moduls gewählt hat, er hat es gut gemacht. In einem kurzen Film „Here is Germany“ (USA, 1945) werden unterlassene „Umerziehung“ nach dem 1. Weltkrieg der Situation und den Maßnahmen nach dem gerade beendeten 2. Weltkrieg gegenübergestellt. Insbesondere der Deutsche Militarismus und der überspitzte Patriotismus werden bemängelt. Hieran soll sich etwas ändern. Eine wunderbare Quelle, die zu Gruppendiskussionen einlädt. Was hat man zu verhindern gesucht? Wie war das Verhältnis zwischen Besatzern und Deutschen? Warum wurde ein solcher Film entwickelt? Hatte er Wirkung?
Der Bürgerrechtler und Reverend Samual „Billy“ Kyles gab für das Modul 6 ein Interview zu den Müllarbeiter-Streiks, dem Marsch von Memphis, dem Wirken und Sterben des Bürgerrechtlers Martin Luther King und den Nachwirkungen seines Kampfes für eine gerechtere Welt. Ein vortrefflich gewählter Zeitzeuge, der aus erster Hand von seinem „Weggefährten“ erzählt.
Auch in den übrigen Modulen, wie auch im Hauptfilm wurden, wie im ersten Teil dieser Dokumentation Experten befragt. Prof. Dr. Howard Zinn von der Universität Boston, Prof. Dr. Laura Lovett und Prof. Dr. Michael Wala von der Ruhr-Universität Bochum kamen zu Wort: Geballter Sachverstand. Fotos, zeitgenössische Filme und vor allem animierte Karten machen komplexe Sachverhalte spielend einfach.
Auch der DVD-ROM-Part mit didaktischem Begleitmaterial ist bei dieser Ausgabe der Reihe „Geschichte interaktiv“ wieder dabei. Zu dem Hauptfilm und jedem Modul findet man Arbeitsblätter und Übersichten, sowie Methodenkarten. Darüber hinaus werden in zwei separaten Teilen Biografien von den in den Filmen zu sehenden Zeitzeugen und Persönlichkeiten jener Zeit mitgeliefert. Myrle Dziak-Mahler („Geschichte betrifft uns“) und neun weitere Autoren haben dabei Unterrichtsmaterialien zur Erarbeitung, Festigung und Vertiefung mit den hierzu passenden Fragestellungen entwickelt. Da Geschichte nicht ganz ohne Daten auskommt, ist sogar eine Zeitleiste mit den wichtigsten Daten der US-Geschichte des 20. Jahrhunderts enthalten. Für weitere Informationen kann man einen Blick in das Literatur- und Linkverzeichnis werfen. Hervorragend gemeistert und ideal auf das Filmmaterial abgestimmt. Besonders genial ist, dass man die Arbeitsblätter direkt in der Anwendung ausfüllen und ausdrucken kann. So hat der Lehrer immer eine lesbare Version in der Hand. Fehlt nur noch ein Formularfeld, in das jeder seinen Namen eintragen könnte oder eine Trennung von Arbeitsblatt und Lösungsvorschlag. Aber man muss sagen: Der DVD-ROM-Teil hat sich bei hervorragender Qualität immer auch noch in Sachen Quantität gesteigert.
Geschichte interaktiv Bd. 12, "Die Geschichte der USA II "We the people" - Die Weltmacht USA im 20. Jahrhundert" aus der Reihe „Geschichte interaktiv“ ist ein würdiger Nachfolger des ersten Teiles dieser Dokumentation. Für Sekundarschulen, Gesamtschulen und Gymnasien ist diese DVD gleichermaßen nützlich. Besonders die Auseinandersetzung mit der Rassentrennung und deren Bekämpfung ist ein sehr wichtiges Thema, das zurecht sein eigenes Modul erhalten hat. Gerade im Land des Nationalsozialismus und des Holocausts sollte man nie wegschauen, wo auch immer diskriminiert wird. Leider kommt dieses Thema in den Lehrplänen eher spärlich vor. Hier ist die DVD dem Schulalltag voraus. Die Module zu den Weltkriegen und dem Kalten Krieg lassen sich zu den drei jeweiligen Themen im Geschichtsunterricht ohne Weiteres einzeln vorführen. Die vielfältige Einsetzbarkeit im Unterricht macht die DVD so wertvoll: Die 49,90 € ist diese DVD-ROM uneingeschränkt wert. Es lassen sich thematisch eingeschränkte Gruppenarbeiten, Diskussionen oder Projekte zu den Modulen durchführen. Auch das Begleitmaterial, was ohne Weiteres auch als Unterrichtsmaterial ausgeteilt werden kann, ist wunderbar auf die DVD abgestimmt. Prominente Zeitzeugen, renommierte Historiker und ein gezielter Umgang mit Medieninhalten machen diese DVD unumgänglich. Sie ist aber natürlich auch (da bilingual abgefasst) im Englisch-Unterricht einsetzbar oder etwas für Freunde nordamerikanischer Geschichte.
Bald will die Anne-Roerkohl dokumentARfilm GmbH die Wurzeln des Deutschen Nationalstaates ergründen. Damit geht sie noch weiter zurück in die Deutsche Geschichte, als in den vorherigen Bänden der Reihe „Geschichte interaktiv“. „Deutschland auf dem Weg zum Nationalstaat 1806-1871“ soll Anfang 2010 erscheinen. Man darf gespannt sein und sich in Geduld üben. Denn: „Gut Ding will Weile haben“.
Martin Knust
PSM-Data / HistoriaPRO