PSM-Data Geschichte, 12.02.2007
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Der Führerstaat im Fokus
Der NS-Staat zeichnete sich insbesondere durch die Ausrichtung auf ihren „Führer“ aus. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler nahm ein Prozess der Machtübernahme und der Aushöhlung der Republik seinen Anfang. Binnen weniger Monate wurde mithilfe von Notverordnungen und Terror der Staat vereinnahmt und gleichgeschaltet. Politik und das gesamte Gesellschaftsleben im Reich wurden vom Führer geleitet. Nach Etablierung der Alleinherrschaft Hitlers wurden außen- und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen geschaffen und das „Volk ohne Raum“ auf den kommenden Krieg zur Vergrößerung des „Lebensraums“ vorbereitet. Der neue fünfte Band der Reihe „Geschichte interaktiv“ der Anne Roerkohl dokumentARfilm GmbH, „Der Nationalsozialismus II – Staat und Politik“, ist ein Medienkonzept für den Unterricht, der genau auf diese Themata eingeht. Er ist der zweite Teil der Nationalsozialismus-Dokumentation.
Der Hauptfilm (25 Minuten) der DVD-ROM beschäftigt sich mit der NS-Justiz. Darin wird aufgezeigt, wie es den Nationalsozialisten gelang, auch diese Staatsgewalt in Beschlag zu nehmen. Hier gab es nur geringen Widerstand. Und Juristen entgingen nach dem Ende der Diktatur in der Regel einer Bestrafung, da sie lediglich geltendes Recht angewandt hätten. Ein Grund, diese Staatsgewalt als „Parteiinstrument“ näher zu beleuchten. Der Film leistet dies bravourös. Umfassend wird die Unterwanderung rechtstaatlicher Prinzipien, die Etablierung von Rassegesetzen, deren Anwendung und Hitlers Weg zum Obersten Gerichtsherr geschildert. Daneben werden die Veränderungen des Polizeiwesens verdeutlicht. Neben der Polizei etablierte sich die SA als eine Art Hilfspolizei. Später entstand die Geheime Staatspolizei (Gestapo). Dieser Polizeiapparat diente insbesondere der Überwachung und Einschüchterung der eigenen Bevölkerung, der Verhinderung widerständischer Bewegungen und war beteiligt an Verhaftungen und dem Abtransport von Juden und Andersdenkenden. Der Krieg erforderte neue Gesetze, die zahlreiche Straftatbestände unter empfindlichere Strafen stellten. Vor dem Volksgerichtshof, dem höchsten Strafgericht im NS-Staat waren Todesstrafen nach der Einsetzung des „Blutrichters“ Freisler an der Tagesordnung.
Wie auch in den vorigen Ausgaben der Reihe „Geschichte interaktiv“ kann man einzelne Filmmodule zur Vertiefung einiger Aspekte auswählen. Das erste Modul schildert den Zerfall der Weimarer Republik, die Unterwanderung des Staates durch die Nationalsozialisten und die Machtübernahme bis zur Gleichschaltung. Das zweite geht auf das wesentliche Mittel der Vereinnahmung der Bevölkerung ein: Propaganda. Mit der Schaffung von Feindbildern (wie Juden, Sinti und Roma etc.), den Massenveranstaltungen des Regimes, der Vereinnahmung und Vereinheitlichung von Presse und Rundfunk gelang es, die breite Masse zu beeinflussen und gefügig zu machen. Neben der Propaganda muss der Terror betrachtet werden, der von Parteiorganisationen ausging. Hervorragend gegliedert folgt das dritte Modul „Terror und Verfolgung“ dem der Propaganda. Die SA als paramilitärische Vereinigung übte bereits lange vor der Machtergreifung Terror aus, auch gegen die eigene Bevölkerung. Sie demonstrierte die Macht der Bewegung und zwang die Menschen regelrecht zur Anpassung. Es war die SA, die die „Revolution“ der Nationalsozialisten im Inneren absicherte. Nach dem Röhm-Putsch 1933 verlor die SA ihre herausragende Stellung im Reich und in der Partei. Das Feld war frei für die SS, die die zunehmend entstehenden Konzentrationslager beherrschten. In diesem Abriss werden der staatliche Terror- und Polizeiapparat als „Machtstütze“ des Regimes und Konzentrationslager erläutert. Wer regieren will, benötigt Geld. Hitler war bei der Machtergreifung auch von Wirtschaftsführern abhängig. Von dem Einfluss der Wirtschaft, der Person Hjalmar Schachts und der wirtschaftlichen Entwicklung des NS-Staates berichtet das vierte Modul. Zwar gelang es, die Wirtschaft zu sanieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Dies geschah aber mit enormen Krediten, die die Staatsfinanzen fast in die Knie zwang. Diese Kredite sollten durch Kriegsgewinne ausgeglichen werden. Auch hier eine perfekte Überleitung zum nächsten Modul „Außenpolitik“. Die Nationalsozialisten strebten seit jeher eine Revision des Versailler Vertrages an. Mit der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht, der Entmilitarisierung des Rheinlandes und der Blumenkriege wurden zahlreiche Bestimmungen einfach gebrochen. Das Filmmodul zeigt deutlich, wie provokativ die Außenpolitik geführt worden ist und wie die Aggressivität dieser Außenpolitik in den Krieg führte. An dieses Modul wird letztlich der dritte Teil der Nationalsozialismus-Dokumentation in der Reihe „Geschichte interaktiv“ anschließen, auf das man auch schon gespannt sein darf.
Neben dem Hauptfilm und diesen 5 Modulen wird in einem sechsten Modul eine Medienanalyse geboten. Anhand von Ausschnitten aus dem Propagandafilm „Gestern und Heute“ (1938), einem Zeitzeugeninterview und zusätzlichen Audioquellen im ROM-Teil werden weitere Möglichkeiten zur Diskussion oder Gruppenarbeit gegeben. Hervorragend ist die Kapitelübersicht. Mit ihr kann der Lehrer auch nur kleine Segmente der Filme auswählen, die einen ganz bestimmten Aspekt beleuchten. Das ermöglicht einen äußerst gezielten Einsatz im Unterricht. Ausgebaut wurde der ROM-Teil mit didaktisch-methodischen Materialien zur Auf- und Nachbearbeitung des Filmmaterials. Hierzu ist nur zu sagen: Besser als jemals zuvor. Optisch ist es noch attraktiver gestaltet als in dem vorigen Band und zudem selbst für Anfänger zu bedienen. Hier kann man sich sogar Gesetzestexte herausziehen, die als „Grundgesetz der NS-Diktatur“ gelten, z. B. die Reichstagsbrandverordnung oder das Ermächtigungsgesetz. Daneben wieder Biografien von Zeitzeugen und wichtigen Polit-Prominenten, Zeitungsberichte, eine Zeitleiste und Literaturangaben zur weiteren Recherche. Das Begleitmaterial ist in Zusammenarbeit mit dem Lehrer Andreas Bremm und der Studienrätin im Hochschuldienst Myrle Dziak-Mahler entstanden. Anreize für die Nutzung im Geschichtsunterricht wurden durch ihre Arbeit erschöpfend gegeben.
„Der Nationalsozialismus II – Staat und Politik 1933-1945“ ist eine äußerst lohnenswerte Anschaffung und man sollte nicht zögern, auch den ersten und den noch folgenden dritten Band der Dokumentation zu kaufen, wenn die Qualität so bleibt wie sie ist. Das Preisleistungsverhältnis wird von Band zu Band besser. Immer ein gleicher Preis für immer bessere DVD-ROMs. Staat und Politik des NS-Regimes zwischen 1933 und 1945 werden sehr gut herausgearbeitet und die Filme eignen sich hervorragend für den Einsatz im Unterricht. Für diese DVD-ROM bleibt keine Kritik: Hervorragende, nützliche Arbeit, die die Anne Roerkohl dokumentARfilm GmbH abgeliefert hat.
Martin Knust
PSM-Data / HistoriaPRO