lehrerbibliothek.de, 03.05.2016
Geschichte interaktiv: Das Deutsche Kaiserreich
von Matthias Schmid
In sieben Modulen führt die vorliegende Neuauflage "Das deutsche Kaiserreich" aus der Reihe "Geschichte interaktiv" in jene Epoche ein, die den deutschen Nationalstaat begründete. Ganz in diesem Sinne beschäftigen sich die ersten beiden Module mit der Reichsgründung anno 1871 sowie dem "Reichsmacher" Otto von Bismarck. Die drei darauf folgenden Module rücken dagegen die Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftsgeschichte des Deutschen Reiches ins Zentrum. Daran schließt sich je ein Modul zu Wilhelm II. und zum Ersten Weltkrieg an.
Wie gewohnt sind die einzelnen Module in sich abgeschlossen und können dadurch flexibel eingesetzt werden. Auch finden sich durchgehend Unterkapitel, die ebenfalls individuelle Anknüpfungspunkte ermöglichen. Auffällig ist, dass immer wieder einzelne Persönlichkeiten als Fallbeispiele rahmend oder retardierend (zum Beispiel Bismarcks Gegenspieler Ludwig Windthorst) eingebunden werden. Besonders ausgeprägt ist dies vor allem im Modul zur Industrialisierung der Fall, bei dem sogar ein Interview mit einem Zeitzeugen des Bergarbeiterstreiks integriert wird.
Sehr interessant ist insbesondere die Perspektive des Hauptfilms, der vor allem die im Kaiserreich entstandenen Nationaldenkmäler in den Mittelpunkt rückt. Auch wenn die einzelnen Module vielfältige Aspekte abdecken, so werden manche sicherlich den ein oder anderen Aspekt wie den deutschen Kolonialismus, der nur am Rande erwähnt wird, oder die Emser Depesche vermissen.
Neben Gemälden, Karikaturen und anderweitigem zeitgenössischen Bildmaterial sind Immer wieder auch Originalaufnahmen enthalten, die vorlagenbedingt keine allzu gute Qualität aufweisen. Hinzu kommt, dass deren Erkenntniswert zum Teil begrenzt ist und eher eine Scheinatmosphäre suggerieren. Kritisiert werden müssen auch die eingesetzten Spielfilm-Szenen, zum Beispiel Kriegsszenen im Vorfeld der Reichsgründung oder auch jene zur Untermalung der Aussagen des erwähnten Zeitzeugen, da diese weitgehend ohne Titel-Angaben eingesetzt und durchgehend unkommentiert bleiben. Lediglich eine kurze Einblendung dient zumindest als Hinweis, dass es sich um keine Originalaufnahmen handelt. Problematisch ist diese Verwendungsweise vor allem bei einem Spielfilm-Ausschnitt mit einer Ansprache Wilhelms II., weil hier kein einordnender Hinweis auf den Originalwortlaut oder den Ort der Ansprache erfolgt.
Deutlich gelungener ist da schon die Einbindung von Karikaturen im Modul zu Otto von Bismarck, da hier immer wieder bildliche Elemente sprachlich aufgegriffen werden, zum Beispiel "Das Spiel beginnt" in Anlehnung an das Schachspiel zwischen Bismarck und Papst Leo XIII., wodurch eine gelungene Symbiose aus bildlicher und inhaltlicher Darstellung gelingt. Dennoch kann In der Gesamtheit ein etwas weniger sorgsamerer Umgang mit dem Bildmaterial als in neueren Produktionen der Reihe beobachtet werden.
Die als Download bereitgestellten Arbeitsanregungen zeichnen sich durch eine gute Mischung zwischen der Aneignung von Sachinformationen und kompetenzorientierten Produktionsaufgaben aus. Gerade die vertiefenden Aufgaben gehen dabei oft über den Film hinaus (oftmals können sie - im Gegensatz zu neueren Produktionen der Reihe - auch ohne den Film selbst bearbeitet werden) und sichern mit weiterführenden Quellen- und Darstellungstexten ein tieferes Verständnis.
FAZIT: Trotz der einzelnen Schwächen eine gelungene Neuauflage mit vielfältigen Ansatzpunkten.