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ZUM (Zentrale für Unterrichtsmedien), 14.07.2012

[...] „Die alte lyrische Schule in Deutschland ist mit mir an ihr Ende gelangt, während ich zur selben Zeit die neue Schule eröffnete, die moderne lyrische Poesie Deutschlands." (H. Heine)

Auf zwei DVDs greift die Einheit zur Literatur des 19. Jahrhunderts zentrale Gedanken und literarische Texte der Literaturepochen „Junges Deutschland", „Vormärz" und „Biedermeier" auf. Neben zahlreichen Textbeispielen zu Heinrich Heine (Schwerpunkt) finden sich Textbeispiele zu Georg Büchner und Annette von Droste-Hülshoff (vgl. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis).

Die erste DVD betrachtet dabei neben dem historischen Hintergrund der Epoche, begonnen mit dem Wartburgfest, auch den literarischen Markt und die Entstehung der Lesegesellschaften und betrachtet anhand verschiedener Beispiele zu Heinrich Heine, Georg Büchner und Annette von Droste-Hülshoff den Zeitgeist, der im 19. Jahrhundert herrschte. Dabei zeigen die einzelnen Module, wie sich die Autoren mit den sozialen und politischen Umbrüchen ihrer Zeit auseinandersetzten (Vormärz und Biedermeier).

Nach dem Sieg über Napoleon veränderte sich einiges in Europa. Zurückzuführen sind die Veränderungen auf die Beschlüsse des Wiener Kongresses von 1815, der sich nach den Ereignissen der Französischen Revolution darum bemühte, die Ordnung in Europa wiederherzustellen. Beeinflusst durch die Französische Revolution und die dort erklärten Menschen- und Bürgerrechte, regte sich damals auch bei vielen Bürgern der deutschen Staaten der Wunsch und die Hoffnung auf einen deutschen Einheitsstaat. Metternich und die übrigen Staatsmänner entschieden jedoch auf dem Wiener Kongress von 1815, dass das ehemalige Reich auch weiterhin in viele Territorialstaaten untergliedert bleiben sollte, die sich lediglich eine gemeinsame Plattform zur politischen Diskussion formten, einen lockeren wenn auch beabsichtigt unauflöslichen Bund: den Deutschen Bund. Damit waren die Hoffnungen der Menschen enttäuscht worden. Vielmehr noch entwickelte sich der Deutsche Bund zu einem Organ der Verhinderung liberaldemokratischer und nationaler Bestrebungen. Metternich beabsichtigte eine Politik der Restauration, der Wiederherstellung der politischen Verhältnisse vor der Französischen Revolution, die mit den Hoffnungen auf einen Nationalstaat zwangsläufig kollidieren musste.

Einer der ersten Träger dieser Hoffnungen waren die Burschenschaften, in denen sich immer mehr Studenten organisierten. Welche Bereitschaft zur Aggression in dieser Ideologie mitschwang, zeigt die Ermordung des in russischen Diensten stehenden Staatsrats und Schriftstellers August von Kotzebue durch den Theologiestudenten Ludwig Sand im Jahr 1819. Dieser Zwischenfall war ein willkommener Grund für Metternich, weiter energisch gegen die nationalen Bestrebungen vorzugehen. Durch die Karlsbader Beschlüsse von 1819 wurde eine zentrale Bundesbehörde mit Sitz in Mainz errichtet, die zur Aufgabe hatte, revolutionäre und demagogische Verbindungen aufzuspüren und sie zu unterbinden. Das beinhaltete auch eine möglichst umfangreiche Zensurpolitik. Druckschriften mit weniger als 320 Seiten unterlagen einer präventiven Zensur, d. h. sie wurden noch vor der Veröffentlichung zensiert und konnten somit leicht aus dem Verkehr gezogen werden. Druckschriften, die diese Seitenzahl überschritten, mussten sich einer Nachzensur unterziehen. Ein Werk konnte dabei auf zwei verschiedene Weisen zensiert werden: die betreffenden Textstellen wurden entweder durch die Zensoren korrigiert oder gestrichen. Die Streichungen waren anfangs noch als Zensurstriche sichtbar, später wurden auch diese verboten.

Im Grunde blieben diese Bestimmungen bis 1848 bestehen, doch die Umsetzung konnte nicht immer so verlaufen, wie ursprünglich vorgesehen. Zum einen fehlte angesichts der zahlreichen Neuerscheinungen das nötige Personal, zum anderen zeigten viele Verleger und Autoren eine durchdachte Kreativität, wenn es darum ging, die Eingriffe zu umgehen.
So versuchten ab 1830 immer mehr Schriftsteller und Verleger die Zensurmaßnahmen zu umgehen, indem sie ihre Werke entweder im Ausland drucken ließen oder ihren Umfang auf 21 Bogen ausweiteten. Dieser Widerstand führte unweigerlich zu einer Verschärfung der Zensur. Zur Vorzensur kamen jetzt auch die Ausweitung der Zensur auf alle Werke, das Verbot einzelner Autoren und Verlage und die Zerschlagung von Vereinen hinzu. Verboten war vor allem die Kritik an den herrschenden politischen Verhältnissen, wie an der Regierung oder am Adel.

Im 12. Kapitel von "Ideen. Das Buch Le Grande" parodierte Heine die deutschen Zensoren.

Ideen. Das Buch Le Grande (1827)
Heinrich Heine
Kapitel 12

Die deutschen Zensoren -- -- -- --
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Gerade Heinrich Heine war es, der ganz bewusst solche Leerstellen in seinen Schriften einsetzte und sie sogar als stilistisches Mittel gebrauchte, wie im hier gezeigten Gedicht, um u. a. mögliche Zensureingriffe offen zu legen oder entsprechend Kritik an der Zensur zu üben. Ganz bewusst wurden solche Stellen durch Leerstellen, Gedankenstriche oder Ähnliches gefüllt, wobei dabei beabsichtigt war, dass der interessierte Leser diese Leerstellen zu ergänzen wusste. Es verwundert also nicht, dass im Zuge der erwähnten Demagogenverfolgung, d. h. der Verfolgung nationaler und liberaler Gruppen und Einzelpersonen durch den Staat, viele Schriftsteller ins Visier der Regierung gerieten. Die Lyrik war für die Autoren des Vormärz die wichtigste Gattung, in der sie ihre politischen Absichten ausdrücken konnten, zumal sie sich leicht auf Flugblätter drucken ließ. Der Gebrauch der Lyrik als politisches Instrument, wie sie z. B. von Georg Herwegh oder Fallersleben eingesetzt wurde, fand jedoch nicht bei allen Schriftstellern Zustimmung und führte durchaus auch zu heftigen Diskussionen.

Dass die Hoffnungen auf einen Nationalstaat und die damit einhergehenden Bestrebungen trotz aller politischen Bemühungen nicht verhindert werden konnten und sich seit der Julirevolution in Frankreich 1830 auch ein Erstarken des politischen Protestes auf deutschem Boden verzeichnen ließ, zeigt das Hambacher Fest, ein Zusammenkommen von politisch engagierten Personen verschiedener sozialer Schichten, die einen Einheitsstaat, die Republik und Demokratie forderten. Reaktion darauf war eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit und das Zensurwesen wurde nochmals verschärft. Dies veranlasste zahlreiche Schriftsteller, darunter Heine und Büchner, ins Ausland zu gehen und von dort zu versuchen, weiterhin Einfluss zu nehmen. Die sich krisenhaft zuspitzenden Proteste entluden sich im März des Jahres 1848. Die Hoffnungen lagen nun bei den Vertretern des Volkes, die in der Frankfurter Paulskirche zu einer Nationalversammlung zusammenkamen, um eine neue politische Ordnung mit einem deutschen Einheitsstaat zu formen. Unter diesen Vertretern waren unter anderem auch der Dichter Ludwig Uhland und die Brüder Grimm, die im Zuge der Demagogenverfolgung aus ihren Ämtern als Professoren an der Universität Göttingen entlassen wurden.

In Abgrenzung zur Literatur der Romantik entwickelte sich nun die Politik zum Kernthema vormärzlicher Literatur, wobei es sich nicht um einen Zufall handelt. Die Literatur sollte das politische Interesse der Menschen wecken und sie zu politischem Engagement aufrufen, sie sollte ein Appell an die Herrschenden sein und ein Aufruf an die Bevölkerung, sich zur Wehr zu setzen. Als sich im Zuge der voranschreitenden Industrialisierung Hunger und Elend immer mehr unter den Arbeitern verbreiteten, solidarisierten sich viele Autoren wie Heinrich Heine mit der Arbeiterklasse. Unmenschliche Arbeitsbedingungen, eine hohe Sterblichkeitsrate, vor allem unter Kindern, und der steigende Druck der Konkurrenz billigerer Waren aus dem Ausland ließ die Unzufriedenheit der Arbeiterklasse und derer, die sich mit ihnen solidarisch stellten, wachsen. Dies spiegelt sich auch in der Literatur der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts wider, der Zeit, in der sich die Situation krisenhaft zuspitzte und sich die Bevölkerung von ihren Herrschern vernachlässigt fühlte. Beispielhaftes Werk hierfür ist das Gedicht "Die schlesischen Weber" von Heinrich Heine aus dem Jahre 1844.

Der dritte Teil der DVD-Reihe „Deutsch interaktiv" beleuchtet mit seinen zahlreichen Beispielen eine von Gegensätzen und Konflikten geprägte Zeit und ermöglicht den Schülern einen zentralen Einblick in Kerngedanken/-inhalte der Literatur des 19. Jahrhunderts. Sehr vorteilhaft ist, dass die Hauptfilme und Module in sich geschlossen und einzeln einsetzbar sind und darüber hinaus eine für den Unterricht angenehme und passende Länge besitzen (bis zu 25 Minuten).

Die erste DVD ist der filmischen Dokumentation gewidmet, während die zweite DVD inszenierte Lesungen und professionelle Gedichtrezitationen von zahlreichen Primärtexten sowie einen thematischen Längsschnitt zum Thema „Heimatverlust und Exil" beinhaltet. Zusätzlich gibt es einen DVD-ROM-Teil mit Materialien und didaktisch-methodischen Anregungen. Die Module sind zudem jeweils in Unterkapitel gegliedert, die man über die Kapitelauswahl der DVD direkt ansteuern kann.

Aus meiner Sicht eine lohnende Anschaffung für den Unterricht, zumal der Preis angemessen erscheint. [...]

Alexandra Weber

http://www.zum.de/buch/index.php?controller=front&action=view&id=400