Jens F. Heiderich, 10.08.2011
Mit der DVD Literatur des 19. Jahrhunderts. Junges Deutschland, Vormärz, Biedermeier liegt ein modular konzipiertes Begleitmaterial für den Deutschunterricht vor, das den Schülerinnen und Schülern eine Zeit der deutschen Literaturgeschichte anschaulich vor Augen führt, die vielen häufig fremd erscheint, da das Verständnis dieser Literatur deutlich mit dem Verständnis der politisch-historischen Situation und des wirtschaftlich-industriellen Strukturwandels verbunden ist.
Cornelia Köhler und Anne Roerkohl gelingt es mit ihrem Hauptfilm den sozio-historischen Kontext pointiert darzustellen. Die Lernenden erhalten einen fundierten Überblick über das Wartburgfest, die Zeit des Biedermeier, die Revolution von 1830 und das Hambacher Fest, das Junge Deutschland, Pauperismus und Industrialisierung sowie über die Revolution von 1848/49. Ein Ausblick bis zur Reichsgründung rundet den Hauptfilm ab. Die weiteren Module dokumentieren mit der Wahl repräsentativer Autorinnen und Autoren jener Zeit (Heine, Büchner, Droste-Hülshoff) sowie mit der Fokussierung des literarischen Marktes (Verleger und Zensur, Schriftsteller und Zeitgeist, Lesehunger und Lesegesellschaften) ebenfalls eine didaktisch durchdachte Konzeption. Dass im Kontext eines solchen Unterrichtsmaterials Autoren wie Gutzkow, Lenau und Werth nicht eigens Module gewidmet werden, ist konsequent und resultiert nicht zuletzt aus den Vorgaben der schulrechtlichen Rahmenrichtlinien der einzelnen Bundesländer.
Konzeptuell ist zudem positiv hervorzuheben, dass der Hauptfilm sowie die Module in einzelne Kapitel untergliedert sind. Diese Tatsache ermöglicht der Lehrperson eine überschaubare und gezielte Steuerung; den Schülerinnen und Schülern wird so die Aufnahme und Verarbeitung erleichtert, wie ohnehin die mediale Konzeption den Rezeptionsweisen der Lernenden zupasskommt. Die einzelnen Beiträge zeichnen sich aus durch ein hohes Maß an (sprachlicher) Präzision und fachlicher Kompetenz. Es finden sich Passagen, in denen die Ausführungen des Kommentators im Vordergrund stehen, illustriert durch die unterschiedlichsten Bilddokumente (geschichtliche Originalquellen, Einrichtungsgegenstände, Zeichnungen, Bilder, Handschriften etc.), und Passagen, in denen einschlägig ausgewiesene Experten von Universitäten oder kulturellen Einrichtungen (z.B. Büchnerhaus, Riedstadt-Goddelau und Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf) Erläuterungen darlegen. Rezitationen (z.T. verschiedener Rezitatoren zu einem Gedicht) sowie Vertonungen von Heines Lyrik, Mitschnitte von Theateraufführungen (z.B. zu Dantons Tod: Hans Otto Theater, Potsdam, 2009) oder Ausschnitte aus Verfilmungen der literarischen Werke (z.B. DEFA-Verfilmung Wozzeck, 1947) ermöglichen eine aufführungsbezogene Rezeption der Texte wie sie sonst nur schwer in der Schule umzusetzen ist, jedoch gleichwohl zu Recht gefordert wird (vgl. dazu Gabriela Paule: Kultur des Zuschauens, 2009). Ergänzt wird das Bild- und Tonmaterial durch einen den einzelnen Modulen und Kapiteln zugeordneten Aufgaben- und Text-‚Pool‘, der mit Blick auf Didaktik und Methodik ebenfalls überzeugt. Die einzelnen Aufgaben sind unterschiedlichen Lernzieltaxonomien zuzuordnen, abwechslungsreich gestaltet, zeigen eine Varianz mit Blick auf die Verwendung der Operatoren, befördern und vertiefen das Verständnis des im Film Dargebotenen oder regen zu weiterführenden Diskussionen, Aktualisierungsversuchen und Recherchen an.
Damit kann man das vorliegende Begleitmaterial bedenkenlos für einen kompetenzorientierten, zeitgemäßen, abwechslungsreichen und dennoch fundierten Deutschunterricht mit Nachdruck empfehlen. Sowohl Lehrende als auch Lernende werden ihre Freude damit haben.
Jens F. HEIDERICH (Lehrer für Deutsch, Französisch und Ethik am Frauenlob-Gymnasium Mainz und Dozent für Literatur- und Mediendidaktik des Deutschen an der Universität Trier)